»Henri Langlois, der berüchtigte Gründer der Cinémathèque Française, vertrat die Ansicht, der Allerweltsfilm sei filmgeschichtlich, kulturgeschichtlich und überhaupt in jeder Hinsicht aufschlussreicher als das vereinzelte große Kunstwerk. Eine steile These, die im Kern eine sympathische Idee mit sich trägt, die auch das Kurzfilmfestival „Zum Goldenen Hirsch“ vertritt: Beim Filmemachen und Filmeschauen darf jeder mitmachen und mitreden.
Das basisdemokratische Filmfestival, das alle zwei Jahre im großen Wettbewerbsfinale „Der Große Endhirsch“ gipfelt, hat auch mit der jüngsten Jagdsaison gezeigt, dass es ein ernst gemeintes Anliegen ist, den Filmemachern im Delta eine Plattform zu bieten. Und da haben glücklicherweise Allerweltsfilme genauso Platz wie künstlerische Großereignisse.
Dicht bepackte Abende
Wieder nahmen Feierabendfilmer, Hochschulkurbler und Hobbyregisseure aus der Region an den Vorausscheidungen teil, und die Etappensieger der vergangenen zwei Jahre starteten in der voll besetzten Alten Feuerwache an zwei dicht bepackten Filmabenden zum letzten Sprint. Der übrigens mit einem Kurzfilm aus den Jugendjahren von Oberbürgermeister Peter Kurz – außer Konkurrenz – eröffnet wurde.
Den Publikumspreis errangen Erik Schmitt und Stephan Müller mit ihrem Fünfminuten-Abenteuer „Nun sehen sie Folgendes“, in dem unter anderem eine Großmutter um ihren Kuchen gebracht wurde und ein Enkel sein Leben lassen musste. Ein flott gebautes Mini-Krimi-Stück, das mit cleveren Humorspitzen aus dem Off gesprochen die eigene Arbeit sezierte. Und auch den von der Jury (Mark Auerbach, Conny von Appen, Christoph Rainer, Maria Pazoukhine und Till Sebastian Laurent Fischer) vergebenen „großen“ Endhirsch in Empfang nehmen durfte.
„Der kleine Endhirsch“ sprang Vanessa Stachel und Sandra Kuhn in den Schoß, die mit „The Human Apocalypse“ auch noch die vom Hirsch-Komitee ausgesprochene Nominierung für den Deutschen Nachwuchsfilmpreis 2013 absahnten. Ein hohes Auszeichnungsaufkommen für einen herzhaften Zombiefilm, der die Untoten in einem absurd verdrehten Endzeitszenarium zu Gejagten macht. Und ganz nebenbei noch erklärt, wie die Mayas zu ihrem Weltuntergangstermin kamen. Alle Preise sind mit einem Preisgeld von 333,33 Euro dotiert, gestiftet von der FilmCommission Rhein-Neckar, dem Cinema Quadrat und Medienforum Heidelberg.
Mit dem Sonderpreis der Jury, dem „röhrenden Hirsch“, wurde Lisa Ferber für ihre Animationsprojekte „Bild dir deine Freiheit“ und „The english speaking Tapir“ ausgezeichnet. Den „Lucky Looser Award“ für den besten „vom Publikum in den Vorrunden verschmähten“ Film erhielt nach erneuter Zuschauerbewertung Christian Martins Klassenzimmersatire „Burnout“. Das ergab ein gut besetztes Siegertreppchen, das einmal mehr zeigte, dass die Kurzfilmaktivisten der Region und ihr ganzjähriges Festival ein mehr als ernstzunehmender Teil der hiesigen Kulturlandschaft sind.«
bema
»Der dritte „Große Endhirsch“ war da. Er taucht nur alle zwei Jahre auf, immer dann,wenn es an der Zeit ist, einenvorläufigenEndpunkt zumarkieren. Drei Tage lang lenkte das Festival mit dem eigentümlichen Namen den Blick auf aktuelle Kurzfilme aus der Metropolregion Rhein-Neckar. In Mannheim zog man Bilanz der Jahre 2011bis 2013 in der Reihe „Zum Goldenen Hirsch“, der gemeinsamen Plattform für Kurz- und Nachwuchsfilmer. Seit sechs Jahren werden in dieser Reihe, die im Wechsel in der Alten Feuerwache und im Heidelberger Karlstorkino stattfindet, Kurzspielfilme, kurze Dokus und Videoclips aus der Region vorgestellt. Die Saison, die nun abgeschlossenwurde, begann im Herbst 2011. Seitdem hat das Publikum an insgesamt zwölf Abenden jeweils einen Sieger gekürt, der sich damit für den „Endhirsch“ qualifizierte. Jetzt traten diese Gewinnerfilme im direkten Wettbewerb gegeneinander an und konkurrierten um die Gunst sowohl des Publikums (die Alte Feuerwache war fast ausverkauft) als auch einer fünfköpfigen Fachjury.
Was den Hauptpreis angeht, hätte es der Differenzierung zwischen Publikumsentscheid und Juryurteil gar nicht bedurft. Man war sich völlig einig: „Nun sehen Sie Folgendes“ von Erik Schmitt und Stephan Müller gewann sowohl den Publikumspreis als Preisvergabe beim Kurzfilmwettbewerb „Großer Endhirsch“ in Mannheim auch den Großen Endhirsch, den die Jury vergibt. Zwei Jagdtrophäen und zweimal 333,33 Euro, mit denen die Auszeichnungen dotiert sind, gingen damit an den 32-jährigen Berliner Stephan Müller und den 33-jährigen Wormser Erik Schmitt, der mittlerweile ebenfalls in Berlin lebt. Unter dem Namen „Kamerapferd“ arbeiten die beiden als freie Regisseure.
Ihr Fünfminüter „Nun sehen Sie Folgendes“, der bereits 2011 einen Deutschen Kurzfilmpreis gewann, ist, wie die Jury es treffend formulierte, eine „Hommage an das Kurzfilmemachen“ und „ein Film, der sich selbst dekonstruiert und dennoch funktioniert“. Es ist ein kleiner Krimi, der keine Spannung aus dem dargestellten Verbrechen bezieht, sondern erhellende Komik durch einen Kommentator gewinnt, der, in der Art eines Erklärers im Kinderfernsehen oder auch eines Sportreporters, schildert, was auf der Leinwand zu sehen ist.
„Ein junger sympathischer Typ, ein älterer Mann mit Schnauzer, die Filmschönheit mit verführerischem Kopfschwenk und eine Oma als Sinnbild für Erfahrung und Weisheit“, stellt er eingangs das agierende Personal vor und liefert dem Film die Beschreibung und Analyse gleichmit,wenn er anschließend erläutert, wie die Geschichte und zugleich ihre Umsetzung funktioniert. Er erzählt von dem jungen Mann, der mit einem Kuchen zu seiner Oma unterwegs ist, und einem Polizisten, der ihn verfolgt, von Protagonist und Gegenspieler, Einstellungsgrößen, Kamerapositionen, vom Schnitt und optischen Effekten. „Wer das gemacht hat“, führte die Jury weiter aus, „hat Hunderte von Kurzfilmen gesehen und die Essenz daraus destilliert“.
Der zweite Preis „Der Kleine Endhirsch“ (ebenfalls dotiert mit 333,33 Euro) ging an den Zombie-Horror „The Human Apocalypse“ von Sandra Kuhn und Vanessa Stachel, die beide Kommunikationsdesign an der Hochschule Mannheim studieren. Sie waren auch mit dem märchenhaften „Mannheim - deine Teenies: Rap Unzel“ im Wettbewerb vertreten.
Ihr „The Human Apocalypse“ ist eine geschickte Verkehrung des Zombie- Genres, eine knapp viertelstündige Travestie, in der sich mal nicht Menschen in ekelhafte Zombies verwandeln, sondern friedliche Zombies zu Menschen werden, wenn es ihnen nicht gelingt, rechtzeitig zu entkommen. Ein verdreht lustiger Familienfilm, in dem Toastbrote mit frischer, roher Leber belegt werden, der Tisch mit Innereien gedeckt ist und es zum Geburtstag Bluttorte gibt. Ein Film also, der eine ganz normale - allerdings rein weibliche - Zombiefamilie vorstellt, die in Heidelberg in vollendeter Harmonie lebt, bis an der Haustür eine menschliche Vertreterin klingelt, die alles verändert.
Im September beginnt die neue Staffel des „Goldenen Hirschen“, in der wieder neue Kurzfilme und Kurzfilmer aus der Region zu entdecken seinwerden.«
Stefan Otto
Warum leben wir, warum lebe ich?“, fragt der Protagonist Bronislav zu Beginn des Jugenddramas. Der Film stellt die existentialistische Sinnsuche dar, welche sich in aufregenden Kamerafahrten und nüchternen, tristen Bildern ausdrückt. Innerhalb von zehn Minuten entwickelt sich eine großartige Selbstironie, irgendwo zwischen radikaler Avantgarde und Trash. Auch in diesem Jahr wird das Festivalkomitee einen Film für den Deutschen Nachwuchsfilmpreis 2013 auswählen und den nominierten Beitrag am Freitagabend, den 5. Juli, nach dem Lucky Loser Wettbewerb bekannt geben. Zurück zur Story: Dank des „Grossen Endhirsch“ wurden die jungen Filmemacher aus Wiesloch auch von anderen Festivals entdeckt und gewannen beim Rostocker Festival „Fish“ sogar die Goldmedaille. „Der Grosse Endhirsch war ein Wendepunkt in unserer vermutlich äußerst grandiosen Filmkarriere und hat uns ermutigt auch deutschlandweit Festivals mit unserem Film zu bespaßen“, so Lukas Laier. „Das schöne an den Festivals war, andere Filmemacher kennen zu lernen, die sich, wie wir, nicht von Mainstream bezirzen lassen. Bei unserem neuen Film „Arthur“ haben wir zum Beispiel einfach Jugenddrama, Fantasy und Heldenreise fein miteinander verwurstet. Wir fordern mehr Verwurstung im Deutschen Kurzfilm, denn wer verwurstet, der probiert und am Ende kommt was raus, was nicht jeden zweiten im Kinosaal zwangsweise langweilt.“
Auch in diesem Jahr geht die Erfolgsgeschichte weiter: Bereits jetzt sind sie mit ihrem neuen Film „Arthur“, der im Lucky Loser Wettbewerb an den Start geht, für den deutschen Nachwuchsfilmpreis 2013 nominiert. Dieses Jahr haben andere junge Filmemacher beim „Grossen Endhirsch“ die Chance auf die Nominierung.
Der deutsche Nachwuchsfilmpreis
Alle zwei Jahre wird im deutschen Wettbewerb des „Up-and-coming“ Int. Film Festival Hannover der Deutsche Nachwuchsfilmpreis vergeben. Eine namhaft besetzte Jury prämiert insgesamt drei Filme und berücksichtigt dabei Altersgruppen. Bei der Beurteilung stehen nicht technische Perfektion, sondern Originalität und Eigenständigkeit von Idee und filmischer Umsetzung sowie Innovationskraft im Vordergrund. Der Preis wird als gläserner FilmKomet zusammen mit einem Preisgeld und einer zweijährigen Produzenten-Patenschaft vergeben und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gestiftet.
Alle wichtigen Informationen wie Neuigkeiten, Hintergrundinformationen zu den Gästen usw. werden auch auf der Fanpage des Symposiums vorgestellt. Hier können Sie direkt mit dem Symposiums-AK und den anderen Interessenten des Symposiums in Kontakt treten. Also gleich mal vorbei schauen und "Gefällt mir" drücken.