Film ist Kunst. Und kann als Kunst von Kunst erzählen, kann Kunst dokumentieren, kann Kunst (be)greifbar machen. Der Film und die Bildende Kunst befruchten sich schon immer gegenseitig, und schon immer können beide Kunstgattungen voneinander profitieren. Das Kino nimmt Bezug auf die Bildwelten der Kunstgeschichte; und in der zeitgenössischen Kunst ist das Einbeziehen von Fotographie und Film längst selbstverständlich geworden. Bereits seit 2008 kooperieren die Kunsthalle Mannheim und das Cinema Quadrat mit der Veranstaltungsreihe „Film & Kunst“. Beide Kultureinrichtungen haben wieder gemeinsam Filme ausgewählt, die sich mit der Kunst, mit dem Leben und Werk von bedeutenden Künstlerpersönlichkeiten beschäftigen. Im Fokus steht der Dialog zwischen Kunst und Film. Cinema Quadrat und Kunsthalle Mannheim arbeiten die Berührungspunkte zwischen dem künstlerischen Werk der Protagonisten und der filmischen Bearbeitung des Themas heraus. In Kurzvorträgen vor den Filmvorführungen werden die Verbindungen beider Gattungen deutlich.

Die Filme werden immer im Cinema Quadrat und immer in optimaler digitaler Form präsentiert.

Der kleine Nick erzählt vom Glück

Der kleine Nick erzählt vom Glück

(Le petit Nicolas: Qu'est-ce qu'on attend pour être heureux?)
FRA/LUX 2022. R: Amandine Fredon, Benjamin Massoubre. Animationsfilm. 86 Min. DF. FSK: 0

Der heitere Animationsfilm führt ins Paris der späten 1950er Jahre: Der Comicautor René Goscinny (Asterix!) und der Zeichner Jean-Jacques Sempé erfinden gemeinsam bei einem Glas Rotwein die Figur „Der kleine Nick“. Das illustrierte Kinderbuch wird zu einem Klassiker, bis heute immer wieder aufgelegt und mehrfach verfilmt. Der aktuelle Animationsfilm verbindet in einer originellen Weise kurze Episoden rund um den kleinen Nick, seine Eltern und Schulkameraden mit biografischen Rückblenden ins gar nicht so heitere (Kinder)Leben von Goscinny und Sempé: Goscinnys jüdische Familie entkam zwar dem Holocaust, seine Verwandten wurden jedoch in Auschwitz ermordet. Sempé wuchs in einer gewalttätigen Pflegefamilie auf, bis seine Mutter ihn zurückholte. Im Film überbrückt die Figur des kleinen Nick alle Erzählebenen, indem er sich immer wieder vom Zeichenbrett löst, in die Welt seiner Urheber tritt und sie über sich berichten lässt. Genau das macht den Charme des Films aus, der spielend zwischen der Welt des kleinen Nick und der Lebensrealität des Autors Goscinny und des Zeichners Sempé hin- und her wechselt.

Einführung: Christiane Wichmann, M.A., Kunsthalle Mannheim

Do. 14.09.2023, 19.30 Uhr

Die Frau mit der Kamera

DEU 2015. R: Claudia von Alemann. Dokumentarfilm. 96 Min. FSK: 0

„Fotografieren heißt teilnehmen“ – so lautete das Credo der bedeutenden Fotografin und Bildjournalistin Abisag Tüllmann (1935-1996). Vor kurzem sind allein 10.000 ihrer Pressefotografien im Archiv der bpk-Bildagentur der Stiftung Preußischer Kulturbesitz online verfügbar gemacht worden. Tüllmanns fotografisches Interesse richtete sich auf die politischen und ebenso auf die kulturellen Ereignisse ihrer Zeit in- und außerhalb Europas. Mit einem ruhigen Blick auf Menschen in alltäglichen Situationen blieb sie ebenso konzentriert wie bei Foto-Shootings mit Prominenten; sie fand ihre Motive beim Fotografieren auf der Straße, etwa bei den Demos der 68er-Studentenbewegung, ebenso wie in der Redaktion der „Emma“. Sie machte Fotos, in denen sich die Geschichte der BRD spiegelt und erweiterte ihren thematischen Radius auf vielen Reisen, u.a. nach Israel. Ihre bildjournalistischen Arbeiten beschrieb sie selbst als Sozialreportagen. Besonders beeindruckend erscheinen auch ihre poetischen Bilder aus dem Theatermilieu, die sie über viele Jahre hinweg u. a. in enger Zusammenarbeit mit Claus Peymann geschaffen hat.

Einführung: Christina Bergemann, M.A., Kunsthalle Mannheim

Do. 19.10.2023, 19.30 Uhr

Andrej Rubljow

Andrej Rubljow

UdSSR 1969. R: Andrej Tarkowski. D: Anatoli Solonizyn, Nikolai Grinko. 185 Min. RussOmdtU. FSK: 12

In seinem Schwarz-Weiß-Film, der erst zum Schluss eine farbige Symbolszene beinhaltet, zeichnet Regisseur Andrej Tarkowski in acht Episoden das Leben des russischen Ikonenmalers Andrej Rubljow (ca. 1360-1430) nach, ohne jedoch ein genaues Biopic zu liefern. Als berühmtestes Werk des Malers gilt die Dreifaltigkeits-Ikone, die etwa 1411 entstand und Rubljow künstlerisch mit Giotto vergleichbar macht. Tarkowski zeigt an den Selbstzweifeln der Figur des tiefgläubigen Malers, der sich an humanistischen Ideen der Renaissance orientiert, zugleich die menschenverachtende Machtpolitik des russischen Adels, der als wichtiger Auftraggeber Rubljows gilt. Welche Position hat ein Künstler in der Gesellschaft, wie kann er seine Integrität wahren, wenn er von brutalen Machtmenschen abhängig ist? Der vielschichtige Film mit seiner poetischen Bildsprache gehört zu den bedeutendsten Werken des russischen Kinos nach 1945, auch wenn Tarkowski auf Druck der sowjetischen Behörden Drehbuch, Kameraführung und verschiedene Szenen ändern musste. 1969 konnte der Film endlich beim Filmfest in Cannes einem internationalen Publikum gezeigt werden.

Einführung: Dr. Dorothee Höfert, Mannheim

Do. 02.11.2023, 19.30 Uhr

Daniel Richter

Daniel Richter

DEU 2022. R: Pepe Danquart. Dokumentarfilm. 118 Min. FSK: 12

Von der autonomen Szene in der Hamburger Hafenstraße der 1980er Jahre bis zur Professur an der Akademie in Wien führt der Lebensweg des Malers Daniel Richter (*1962), der zufällig den gleichen Nachnamen trägt wie sein (noch berühmterer) Kollege Gerhard Richter. Beide vertrauen sie in die Möglichkeiten der Malerei, aber damit enden die Gemeinsamkeiten auch. Daniel Richters Bilder, angesiedelt zwischen Abstraktion und Figuration und voller Anspielungen auf Pop- und Street-Art, sind grell, bunt, provokativ und setzen sich immer wieder mit aktuellen politischen Themen auseinander. Zu Beginn seiner Karriere gestaltete er Platten-Cover und Plakate für Musiker aus der Punk-Szene, der künstlerische Erfolg kam mit ersten Einzelausstellungen im In- und Ausland ab 1995. In typischer Weise muss der Ex-Rebell und heutige Star Daniel Richter den Spagat zwischen Kunst und Kommerz aushalten (oder leisten) – ein Thema, das Regisseur Pepe Danquart, der den Maler drei Jahre lang filmisch begleitet hat, nur streift. Dennoch bietet der Film einen sehenswerten Einblick in die Bedingungen zeitgenössischen Kunstschaffens.

Einführung: Johannes Honeck M.A., Kunsthalle Mannheim

Do. 07.12.2023, 19.30 Uhr

Er flog voraus - Karl Schwanzer. Architektenpoem

Er flog voraus - Karl Schwanzer. Architektenpoem

AUT 2022. R: Max Gruber. Dokumentarfilm mit Spielszenen mit Nicholas Ofczarek. 73 Min. FSK: 0

Der österreichische Architekt Karl Schwanzer (1918-1975), ein wichtiger Vertreter der Nachkriegsarchitektur, gilt als Visionär und Perfektionist, dem ungewöhnliche Ideen willkommen waren. Ein Beispiel ist das BMW-Verwaltungsgebäude in München (erbaut 1968 bis 1973), bei dem die vier Bürotürme die Form eines Vier-Zylinder-Motors annehmen. Höchst ungewöhnlich für seine Zeit ließ Schwanzer in den Bavaria-Filmstudios ein 1:1-Modell eines Büros des beauftragten BMW-Turms einrichten, in dem Schauspieler den Büroalltag nachstellten, um die Funktionalität des Gebäudes bereits in der Planungsphase zu überprüfen. Ein Schauspieler übernimmt auch im Film die Rolle des Porträtierten: Nicholas Ofczarek liest Passagen aus Schwanzers Buch „Architektur aus Leidenschaft“ und führt durch verschiedene Schwanzer-Gebäude, u.a. den österreichischen Expo-58-Pavillon in Brüssel und den Erweiterungsbau der Kapuzinergruft. „Architekten besitzen ein Instrument, Menschen glücklich zu machen“, lautete Karl Schwanzers Credo.

Einführung: Dr. Dorothee Höfert, Mannheim

Do. 18.01.2024, 19.30 Uhr

Pirosmani

Pirosmani

UdSSR 1969. R: Georgi Schengelaja. D: Awtandil Warasi, Dawid Abaschidse. 105 Min. GeorgischOmdtU. FSK: k. A.

Der Film erzählt die Lebensgeschichte des autodidaktischen georgischen Malers Nikolos Pirosmanaschwili (1862-1918), bekannt als Pirosmani, dessen Kunst erst nach seinem Tod international gewürdigt wurde. Pirosmani, der als Bauernsohn geboren wurde, übte verschiedene Berufe aus, hielt aber die Malerei für seine eigentliche Bestimmung. Er schlug sich als Gebrauchs- und Wandermaler von Porträts, Stillleben und Tierbildern durch und tauschte seine Arbeiten gegen Essen oder einen Schlafplatz. Etwa 200 Werke sind von ihm erhalten. Ähnlich wie der malende französische Zöllner Henri Rousseau erfuhr Pirosmani erste Würdigung durch professionelle Künstler, in diesem Fall durch russische Futuristen, die seine Arbeiten ab 1912 ausstellten. Eines seiner bekanntesten Bilder, „Die Schauspielerin Margerita“ von 1909, zeigt die französische Sängerin Margot de Sèvres, die der Maler besonders verehrte. Die berührende, „einfache“ Bildsprache Pirosmanis inspirierte den Regisseur Schengelaja zu seinem Film über einen der bekanntesten naiven Maler des 20. Jahrhunderts.

Einführung: Dr. des. Gunnar Saecker, Kunsthalle Mannheim

Do. 22.02.2024, 19.30 Uhr