Film ist Kunst. Und kann als Kunst von Kunst erzählen, kann Kunst dokumentieren, kann Kunst (be)greifbar machen. Der Film und die Bildende Kunst befruchten sich schon immer gegenseitig, und schon immer können beide Kunstgattungen voneinander profitieren. Das Kino nimmt Bezug auf die Bildwelten der Kunstgeschichte; und in der zeitgenössischen Kunst ist das Einbeziehen von Fotographie und Film längst selbstverständlich geworden. Bereits seit 2008 kooperieren die Kunsthalle Mannheim und das Cinema Quadrat mit der Veranstaltungsreihe „Film & Kunst“. Beide Kultureinrichtungen haben wieder gemeinsam Filme ausgewählt, die sich mit der Kunst, mit dem Leben und Werk von bedeutenden Künstlerpersönlichkeiten beschäftigen. Im Fokus steht der Dialog zwischen Kunst und Film. Cinema Quadrat und Kunsthalle Mannheim arbeiten die Berührungspunkte zwischen dem künstlerischen Werk der Protagonisten und der filmischen Bearbeitung des Themas heraus. In Kurzvorträgen vor den Filmvorführungen werden die Verbindungen beider Gattungen deutlich. Die Filme werden immer im Cinema Quadrat und immer in optimaler digitaler Form präsentiert.
Vermeer – Reise ins Licht
(Dicht bij Vermeer)
NLD 2023. R: Suzanne Raes. Dokumentarfilm. 79 Min. MehrsprOmdtU. FSK: 0
Der Dokumentarfilm bietet einerseits einen faszinierenden Einblick in die Vorbereitungen einer spektakulären Kunstausstellung und begleitet die beteiligten Museumsleute: Aus aller Welt wurden 2023 die wenigen kostbaren Gemälde des barocken Malers Jan Vermeer zur Jubiläumsausstellung nach Amsterdam gebracht. Das begrenzte Kontingent der Eintrittstickets war online schon nach wenigen Stunden erschöpft. Andererseits holt der Film vor allem die Bilder mit ihren stillen Figuren in lichterfüllten Räumen ganz nah vor das Auge. Vermeer hat selbst ein damals modernes optisches Instrument zur Vorbereitung seiner Werke verwendet, eine Camera Obscura, durch die er die Realität betrachtete. Die Regisseurin demonstriert das sorgfältig: Ein sonnenbeschienener Vorhang wirft nicht nur einen, sondern drei Schatten, wenn man ihn durch den Apparat betrachtet. Die Camera Obscura ist das Vorläufermodell des Fotoapparates und der Filmkamera und Vermeers Darstellungen erscheinen fast wie kleinformatige Fotografien. „Vermeer – Reise ins Licht“ lässt uns eintauchen in eine wunderbare, stille Bilderwelt, deren malerische Entstehungsweise am Anfang unserer heutigen Medienmöglichkeiten steht.
Einführung: Dr. Dorothee Höfert, Mannheim
Do. 12.09,2024., 19.30 Uhr
Mit einem Tiger schlafen
AUT 2022. R: Anja Salomonowitz. D: Birgit Minichmayr, Johanna Orsini, Maria Nicolini. 107 Min. FSK: 12
Die großartige österreichische Schauspielerin Birgit Minichmayr verkörpert die eigenwillige Malerin und Performerin Maria Lassnig – mit dieser kongenialen Besetzung gelingt eine ebenso ernsthafte wie schräge filmische Hommage an die Künstlerin. Wir verfolgen den mühsamen Weg einer hochtalentierten, unangepassten Frau in der Kunstwelt der 1940er Jahre und der Nachkriegszeit, der vor allem durch Männer mit großen Egos geprägt wurde, bis hin zu ihrem späten internationalen Erfolg, der sie von New York zurück nach Wien führte. Der Film macht deutlich, wie zäh und frustrierend es für Lassnig gewesen sein muss, als Künstlerin viel zu lang unterschätzt zu werden. Dass sie oft genug als eine schwierige Persönlichkeit erschien, wird im Film nicht verschwiegen, aber verständlich gemacht durch intensive Szenen zu den Konflikten und Demütigungen in ihrem privaten und beruflichen Umfeld. Das komplex arrangierte Biopic bringt Spielszenen und dokumentarische Sequenzen, die plausibel ineinander greifen, und zeigen die Entstehung von Lassnigs intensiven, grellfarbigen „Body-Awareness-Bildern“ als direkte Umsetzung ihrer beglückenden bis quälenden Körpererfahrungen.
Einführung: Christina Bergemann, M.A., Mannheim
Do. 10.10.2024., 19.30 Uhr
Munch
NOR 2023. R: Henrik Martin Dahlsbakken. D: Alfred Ekker Strande, Mattis Herman Nyquist, Ola G. Furuseth, Anne Krigsvoll. 105 Min. DF. FSK: 12
Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“ von 1892 zählt zu den berühmtesten Gemälden der Kunst. Immer wieder stellte Munch Menschen und ihre existenziellen emotionalen Erfahrungen von Liebe, Angst, Trauer und Tod dar. Doch seine grellen Farben und die skizzenhafte Ausführung sorgten immer wieder für eine Ablehnung seiner Werke. In seinem Leben lösten sich intensive Schaffensphasen und psychische Zusammenbrüche ab, die oft durch Alkoholexzesse ausgelöst wurden. 1892 wurde Munch durch eine Einzelausstellung im wilhelminischen Berlin schlagartig bekannt, weil sie als „skandalös“ vorzeitig geschlossen wurde. Der norwegische Regisseur Dahlsbakken wählt für seinen Film ein ungewöhnliches Konzept, um der zerrissenen Persönlichkeit des berühmten Künstlers gerecht zu werden: Gleich vier Autoren schreiben das Drehbuch zu vier Lebensabschnitten des Malers Edvard Munch (1863 – 1944), der dann von drei Schauspielern und einer Schauspielerin verkörpert wird. Die vier Erzähl- und Filmsprachen vereinen sich zu einem Kaleidoskop, das den leidenden und dennoch für seine Kunstauffassung unermüdlich kämpfenden Maler aus verschiedenen Blickwinkeln darstellt.
Einführung: Dorotea Lorenz, M.A., Kunsthalle Mannheim
Do. 07.11.2024, 19.30 Uhr
Max Beckmann – Departure
DEU 2013. R: Michael Trabitzsch. Dokumentarfilm. 97 Min. FSK: 6
Der Film folgt dem Leben Beckmanns als Maler ganz chronologisch vom ersten bis zum letzten Gemälde und zeigt dabei die vielen, oft unfreiwilligen Stationen seines Lebens in Europa und in den USA. Angereichert mit Zitaten aus seinen Tagebüchern und durch Interviews mit Museumsleuten spürt der Film den rätselhaften Bildfindungen eines der ganz großen Meister des 20. Jahrhunderts nach. Max Beckmann selbst hielt nur Picasso für einen ebenbürtigen Künstler. Im Mittelpunkt der Befragung seiner Werke stehen Beckmanns beeindruckende Triptychen. Mit ihnen findet er Anfang der 1930er Jahre seinen individuellen künstlerischen Weg, um Erzählung und Geheimnis, Ausdruck und Gleichnis in eine seit dem Mittelalter bestehende Form aus Drei-Bild-Tafeln nebeneinander zu bringen. Vor allem das 1932 begonnene Triptychon „Departure“ mit seinen verstörenden Folterszenen wirft einen ahnungsvollen Blick voraus auf die furchtbare Bedrohung durch das nationalsozialistische Gewaltregime, der Max Beckmann wie so viele seiner deutschen Künstlerkolleginnen und -kollegen ausgesetzt war. Und dennoch sagte Max Beckmann, der ab 1937 Hungerjahre im Amsterdamer Exil verbrachte, „Gestaltung ist Errettung“ – „to create ist to be saved“.
Einführung: Christiane Wichmann, M.A., Kunsthalle Mannheim
Do. 12.12.2024, 19.30 Uhr
Edward Hopper und das Kino. Vortrag mit Kurzfilmen
Vortrag, Kurzfilme und Bilder, ca. 140 Min
Wer kennt sie nicht, die schweigenden Nachtgestalten vor ihren Drinks in einer Bar? Das Gemälde „Nighthawks“ des amerikanischen Realisten Edward Hopper (1882 – 1967) gehört zu den Ikonen des 20. Jahrhunderts und wurde unzählige Male reproduziert. Der Blick des Malers auf ein Schnellrestaurant bei Nacht, auf ein verlassenes Haus in den Dünen oder auf eine Gestalt in einem Hotelzimmer bietet noch immer Anlass auch für eine rege cineastische Auseinandersetzung. Regisseure wie Terence Davies, Alfred Hitchcock, Aki Kaurismäki, Herbert Ross oder Wim Wenders haben seine Bilder zitiert und in Set-Designs für ihre eigenen Filme nachgebaut. Tatsächlich wirken viele seiner Gemälde wie Film-Stills und erzählen eigene Geschichten, die aus dem Kino des 20. Jahrhunderts stammen könnten. Dr. Peter Bär spricht über Edward Hoppers Werk und dessen filmische Rezeptionsgeschichte und stellt Kurzfilme vor (teilw. in der englischen Originalfassung), die aus Hoppers Bildern Geschichten entwickeln, seine Stimmung nachempfinden oder für die Hoppers Bilder stilbildend waren. Weiter wird mit Bildern und Filmausschnitte vorgeführt werden, wie Hopper in den Bereichen Grafik, Fotografie und in der Popkultur bis in die Gegenwart prägend wirkt.
In der aktuellen Kunsthalle-Ausstellung „Die neue Sachlichkeit“ wird auch ein Gemälde von Edward Hopper zu sehen sein; der Hopper-Abend ist Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung.
Einführung: Dr. Peter Bär, Cinema Quadrat
Do. 23.01.2025, 19.30 Uhr
Charlotte
DEU/NLD 1980. R: Frans Weisz. D: Birgit Doll, Elisabeth Trissenaar, Brigitte Horney. 96 Min. FSK: 6
Der Film über die Künstlerin Charlotte Salomon (1917 – 1943) beginnt im Januar 1939 mit ihrer Flucht aus Berlin nach Südfrankreich. Hier wird das Malen für die 21-jährige zu einem Werkzeug, mit dem sie ihrer Verzweiflung über den Suizid ihrer Mutter sowie die Selbstmordgedanken ihrer Großmutter begegnet. Innerhalb von 18 Monaten entsteht ein Zyklus aus 1325 Bildern mit dem Titel „Leben? Oder Theater?“, in dem sie mit Stilelementen des Comics und Films ihr Leben in Berlin schildert. Charlotte Salomon wurde 1917 in eine bürgerliche jüdische Familie hineingeboren und studierte bis 1937 an der Kunsthochschule in Berlin. 1943 heiratete sie den österreichischen Emigranten Alexander Nagler; noch im selben Jahr wurde das Paar an die deutschen Besatzer ausgeliefert, nach Auschwitz deportiert und ermordet. „Das ist mein ganzes Leben“ – mit diesen Worten übergab Charlotte 1942 einem Vertrauten einen Koffer aller bis dahin entstandenen Arbeiten. Ihr Bilderzyklus hat mehrere Filme und Opern inspiriert und wurde in zahlreichen Ausstellungen präsentiert, erstmals 1961 in Amsterdam, wo bis heute ihr Werk aufbewahrt wird, zuletzt 2023 zum 80. Todesjahr im Lenbachhaus München.
Einführung: Dörte Ilsabe Dennemann, M.A., Kunsthalle Mannheim
Do. 20.02.2025, 19.30 Uhr