Die Vergangenheit: DDR. Die Zukunft: Wiedervereinigung. Die Gegenwart: Fragezeichen. Die Zeit nach dem Mauerfall war für viele im Osten Deutschlands wie eine Leerstelle zwischen dem Alten, das vielleicht verhasst, jedenfalls gewohnt war, und dem Neuen, von dem niemand wusste, was es bringen würde. Der deutsche Film hat sich der Monate und Jahre nach dem Mauerfall immer wieder angenommen – Zeit, zurückzublicken. 

Als wir träumten

Als wir träumten

DEU 2015. R: Andreas Dresen. D: Merlin Rose, Julius Nitschkoff, Joel Basman, Marcel Heupermann, Ruby O. Fee. 117 Min. FSK: 12

Sie kennen sich seit ihrer frühen Jugend, erlebten die letzten Jahre der DDR und sind nun, nach dem Mauerfall, 17 Jahre alt und frei: die Eltern müssen sich in den neuen Gesellschaftsverhältnissen zurechtfinden, die Jugendclique um Dani, Rico, Pitbull und Mark kann tun und lassen, was sie will. Beispielsweise im Laden klauen, sich mit Nazis kloppen – oder in einer alten Fabrikhalle einen Musikclub aufmachen.

Andreas Dresens Verfilmung des Romans von Clemens Meyer ist ein Panorama über verlorene Jugendliche in einer Zeit von gesellschaftlichen Beschränkungen und individuellen Träumen, von gleichzeitiger Hoffnung und Resignation: „Dresen übersetzt Clemens Meyers illusionslosen Milieuroman in einzigartige, berückende Bilder. Und setzt damit Maßstäbe für das deutsche Kino.“ (taz)

Mi. 07.06.2023, 19:30 Uhr

Das deutsche Kettensägenmassaker

Das deutsche Kettensägenmassaker

BRD 1990. R: Christoph Schlingensief. D: Karina Fallenstein, Alfred Edel, Susanne Bredehöft, Brigitte Kausch, Volker Spengler, Udo Kier, Sergej Gleithmann. 63 Min. FSK: 16

Sie kamen als Freunde und wurden zu Wurst: Ossis geraten in die Fänge einer kannibalischen Wessi-Metzgerfamilie. Im Oktober 1990 (!) feierte der Film Premiere, eine Wiedervereinigungssatire voll Wahnsinn, Chaos und Hysterie. Als billiges Underground-Genreprodukt getarnt haut Christoph Schlingensief seine filmische Karikatur auf Einheitsrausch, Wiedervereinigung, auf die Verschlingung des Ostens durch den Westen auf die Leinwand.

Vorfilm:

Stefan – eine Ost-West-Schnulze
DEU 1992. R: Michael Blume. 13 Min.
Stefan markiert für die DDR-Bezirksfilmdirektion Filmszenen erotischen Inhalts, damit die Filmbilder von Vorführern nicht herausgeschnitten und als Dia verkauft werden. Nach dem Mauerfall soll das Kino schließen…

Am Di. 13.06. mit Einführung von Harald Mühlbeyer

Do. 08.06.2023, 21:30 Uhr, Di. 13.06.2023, 19:30 Uhr

Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Irgendwann werden wir uns alles erzählen

DEU/FRA 2023. R: Emily Atef. D: Marlene Burow, Felix Kramer, Cedric Eich, Silke Bodenbender, Christine Schorn, Jördis Triebel. 133 Min. FSK: 16

Sommer 1990 in Thüringen. Maria, bald 19, hat keine Lust auf Schule, versenkt sich in Dostojewsky-Romanen. Sie lebt bei der Familie ihres Freundes auf einem Bauernhof, das Wetter ist schön, die Zukunft trübe. Irgendwann trifft sie den 40jährigen Eigenbrötler Henner vom Nachbarhof, er berührt sie, und sie beginnen eine Amour fou, wild, leidenschaftlich, begehrend, archaisch, übermächtig…

Emily Atef (DREI TAGE IN QUIBERON, 2018, MEHR DENN JE, 2022) verfilmte Daniela Kriens Bestseller-Roman mit großartigem Ensemble in starken, atmosphärischen Bildern: Eine körperlich-sinnliche Liebesbeziehung ohne Zukunft in einem Land ohne Zukunft: „Ein Film, der durch seine authentische Zeichnung der ausklingenden DDR beeindruckt.“ (Thüringer Allgemeine)

Fr. 09.06.2023, 21:30 Uhr, Mo. 12.06.2023, 19:30 Uhr

Wege in die Nacht

Wege in die Nacht

DEU 1999. R: Andreas Kleinert. D: Hilmar Thate, Cornelia Schmaus, Henriette Heinze, Dirk Borchardt. 96 Min. FSK: 16

Nach dem Ende der DDR hat Walter nichts mehr zu tun. Ende 50, arbeitslos – früher Direktor eines Kombinats, jetzt ein Nichts. Also sucht er Sinn. Und sorgt für „Recht und Ordnung“, wie er es versteht: Zusammen mit zwei Jugendlichen, die ihn verehren, schlägt er zu, wenn jemand andere belästigt. Ratlosigkeit, Frust und Gewalt: Walter rächt sich an den Zeitläuften… In seiner schwarzweißen Hommage an die deutsche Stummfilmzeit – und an den Noir-Film – beschreibt Andreas Kleinert einen Mann, seine Moral und sein Land in Ruinen. „Ein Film Noir zur jüngsten deutschen Geschichte und einer der wichtigsten, spannendsten Filme des jungen deutschen Films.“ (Süddeutsche Zeitung)

Di. 20.06.20223, 19:30 Uhr

Wir sind jung. Wir sind stark.

Wir sind jung. Wir sind stark.

DEU 2014. R: Burhan Qurbani. D: Jonas Nay, Joel Basman, Saskia Rosendahl, Devid Striesow. 128 Min. FSK: 12

Rostock-Lichtenhagen im Sommer 1992: Die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber ist überfüllt. Rechtsradikale belagern die Gebäude. Gruppierungen gelangweilter Jugendlicher mischen bei den Krawallen mit. Ein Lokalpolitiker duckt sich weg, bis er bemerkt, dass sein Sohn Teil des Mobs ist. Eine vietnamesische Familie im angegriffenen Plattenbau steht Todesängste aus.

In starken Episoden stellt Burhan Qurbani die entsetzlichen Vorgänge der Neonazi-Ausschreitungen rund um das „Sonnenblumenhaus“ nach, geht mitten hinein in die aufgeputschte Menge, schildert die Opfer aus der Nähe, erzählt von Umbruch und Unsicherheit, Wut und Aggression, die ein Ziel finden – ohne pauschale Erklärungen zu präsentieren.

Special thanks to UFA Fiction für die Vorführrechte.

Fr. 23.06.2023, 21:30 Uhr, Di. 27.06.2023, 19:30 Uhr