Von Stefan Otto

„Star Wars: Die letzten Jedi“, „Ich – Einfach unverbesserlich 3“ oder „Die Schöne und das Biest“ hießen die erfolgreichsten 3D-Filme des vergangenen Jahres.Vorwenigen Jahrenwar es das Weltraumepos „Avatar – Aufbruch nach Pandora“, das demdreidimensionalen Film einen großen Aufschwung bescherte. „3D - Eineweitere Dimension?“ fragten nun, beim32. Mannheimer Filmsymposium, interessierte Kinogänger, Filmschaffende und -wissenschaftler imCinemaQuadrat.

Eröffnet wurde die dreitägige Veranstaltung mit dem kurzen Animationsfilm„ Virtuos virtuell“, der zweidimensional beginnt und, insofern der Betrachter die entsprechende Brille trägt, zusehends räumlicher erscheint: Zur Ouvertüre von Louis Spohrs Oper „Der Alchymist“ tanzen da schwarze Pinselstriche und Tuscheklecksemiteinander und bringen scheinbar in ihrem Wogen, Hüpfen, Drängen, Wachsen und Schwinden gleichsamverschiedenste Emotionen zumAusdruck.

„Avatar“, „Kubo – Der tapfere Samurai“, „Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger“ und „Hugo Cabret“ waren weitere Filme, die imVerlauf des Symposiums stereoskopisch zu sehen waren. Gerade letzterer, Martin Scorseses große Feier derMechanik, derMagie und des frühen Kinos, verwiesmit einem Zitat aus dem berühmten Lumière-Filmeines einfahrenden Zuges darauf, dass räumliches Sehen schon von Beginn an zur Geschichte des Kinos gehört.

Wie viele Jahrhunderte früher schon in der Geschichte der Malerei Raumillusion erzeugt und Plastizität suggeriertwurde, zeigte der Tübinger Kunsthistoriker Ralf Michael Fischer in seinem Vortrag „Von der Linearperspektive zum filmischen Raum“. In den 1420er Jahren erstellt, giltMasaccios Fresko „Dreifaltigkeit“ in der Kirche SantaMaria Novella in Florenznende Bild, bei dem die Gesetze der Perspektive präzise angewandt sind. Von hier schlug der Referent einen weiten Bogen bis zumexplizit „flächigen“ Frühwerk Rainer Werner Fassbinders. „Film wirkt weder als reines Raumbild noch als reines Flächenbild, sondern als ein Ineinander von beidem. Filmbilder sind zugleich flächig und räumlich“, zitierte er den deutsch-amerikanischen Kunst- und Medienwissenschaftler Rudolf Arnheim(„ Filmals Kunst“).

Einen ausführlichen Vortrag über die Geschichte der stereoskopischen Fotografie und des 3D-Films hielt der Direktor des FilmmuseumsMünchen, Stefan Drößler. Er legte dar, wie bereits in derMitte des 19. Jahrhunderts mit einer Doppelkamera aufgenommene Fotos, die durch ein Stereoskop betrachtet wurden, äußerst populär waren.

Immer ging es darum, dass dem rechten und dem linken Auge das jeweilige Teilbild separat zugeführt wird. Entweder mittels kleinerer Betrachter, dieman sich vor Augen hielt, oder größerer Guckkästen mit zwei nebeneinander angebrachten Linsen, in die man hineinschaute. Letztere wurden zu Vorformen des Kinos: Sie ermöglichten die Kombination von Bilderpaaren zu ganzen Serien, die durch Kurbeln oder Motoren gesteuertwurden.

In den 1930er und 1940er Jahren feierten kurze 3D-Werbefilme auf den Weltausstellungen in New York und San Francisco Erfolge. 1941 eröffnete in Moskau dann das erste brillenlose 3D-Kino. In den frühen 1950er Jahren kamen insgesamt 49 3D-Filme in die US-amerikanischen Kinos. Später schwappten weitere Wellen von 3D-Filmen auf die Kinoleinwände, meist Abenteuer-,Horroroder Softpornofilme, die den 3DRaumeindruck alsAttraktion nutzten. „Space Hunter – Jäger im All“, „Alles fliegt dir umdieOhren“ oder „Liebe in drei Dimensionen“, lauteten einschlägige Titel.

Die digitale Postproduktion und die Digitalisierung der Kinos schuf dann nach einer Durststrecke die Voraussetzung für eine deutliche Verbesserung der Produktion und Vorführung von 3D-Filmen. In Mannheim gaben der Kameramann Marcus Zaiser und der Visual-Effects-Producer Sebastian Leutner Werkstattberichte über die heutige Arbeit mit 3D am Filmset und in der Nachbearbeitung.

Derweltweite Erfolg von James Camerons „Avatar“ und die großspurigen Ankündigungen einiger Hollywood- Produzenten, künftig würden sämtliche Blockbuster in 3D produziert werden, beflügelten die weltweite Umstellung der Kinos auf digitale Projektion. Die Betreiber hofften, mit den entsprechenden Ticketpreisaufschlägen ihre Einnahmen zu steigern. Doch da keiner der Nachfolger von „Avatar“ an den Umsatz des bis heute erfolgreichsten Films überhaupt heranreichte, ist die Euphorie inzwischen deutlich abgekühlt.

Der Weltraumthriller „Gravity“ (2013) war der letzte Film, bei dem die Einnahmen aus 3D-Vorführungen die aus Vorführungen in 2D übertroffen haben. Seither sinkt der Anteil der Einnahmen durch 3D-Vorstellungen bei Blockbustern wieder kontinuierlich, und auch auf 3D spezialisierte Fernsehsender haben ihren Betrieb wieder eingestellt.

Im Home Entertainment setzt man inzwischen auf 4K-Fernseher, UHD und gebogene Bildschirme statt auf die Stereoskopie.

Kein 3D-Film hat im Wettbewerb eines der großen internationalen Filmfestivals einen der Hauptpreise gewonnen, kaum einer der künstlerisch relevanten Filmregisseure hat die stereoskopische Technik in mehr als einem oder zwei Filmen eingesetzt. Ausnahmen sind lediglichWim Wenders, der fünf 3D-Filme realisiert hat, und James Cameron, der gleich vier(!) Fortsetzungen von „Avatar“ in 3D vorbereitet, die ab 2020 in die Kinos kommen sollen.

So ist es fraglich, wie groß die Nische für dreidimensionale Filme in den nächsten Jahren bleiben wird. Es wäre schade, meinte Stefan Drößler, wenn die derzeitige 3D-Welle wie in der Vergangenheit mal wieder sangund klanglos verschwände, denn zum Beispiel der Animationsfilm „Coraline“, der Konzertfilm „U2 3D“ oder WernerHerzogsDokumentation „Die Höhle der vergessenen Träume“ hätten zumindest ansatzweise gezeigt, dass Dreidimensionalität als Stilmittel zur Entwicklung einer eigenen Filmsprache, die Räumlichkeit dramaturgisch einsetzt, durchaus von großemästhetischen Reiz sein kann.

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