11.04.2019

Der Ursprung von allem

Am 13. März 2019 berichtete die Rheinpfalz über das 33. Mannheimer Filmsymposium.

 

Von Stefan Otto

Im Anfang ist das Wort. Vor dem Film steht das Drehbuch. Der Autor schreibt seine Geschichte auf, lässt seine Visionen zu Sätzen und Dialogen werden. Sein Werk ist die Grundlage der Handlung, auf ihmberuhen die Entscheidungen des Regisseurs: Das 33. Mannheimer Filmsymposium „Magie des filmischen Erzählens“ im Cinema Quadrat setzte sich in zehn Vorträgen, vier Filmen undmehreren Diskussionsrunden mit der Verwandlung vom Drehbuch zumFilmauseinander.

Henk Drees, Filmwissenschaftler und Editor (also Experte für das Schneiden von Filmen), blickte auf die Dramaturgie, auf die klassische Heldenreise, wie auf die Ab- und Umwege, die sie nehmen kann. „Ich komme aus der Dokumentarfilmecke“, erläuterte der Kölner und präsentierte Ausschnitte aus den Dokus „Work Hard – Play Hard“ und „Shut Up And Play The Piano“, die er geschnitten hat. „Die Beispiele aus dem Schnittraum geben einen Einblick in die Schule des Sehens, durch die man gehen muss, um die bedeutungstragenden Momente zu erfassen und im zweiten Schritt zu einer Erzählung zu strukturieren.“ Ausgehend von den Laborbedingungen, die im Montageraum herrschten, betrachtete er das filmische Erzählen aus verschiedensten Blickwinkeln und zeigte kleinste Teile, aus denen am Ende die größeren Bausteine einer Geschichte werden können. Sein Vortrag sensibilisierte für die vielfältigen Ansätze und Ebenen, aus denen sich eine Geschichte formen lässt. „Es schläft eine Erzählung in allen Dingen“, so der Editor in Anlehnung an Joseph von Eichendorffs romantischen Vers „Schläft ein Lied in allen Dingen“.

Reale Ereignisse seien seit jeher ein zuverlässiger Stofflieferant auch für Spielfilme im Kino gewesen, erläuterte der Filmpublizist Gerhard Midding in seinem Vortrag „Verbürgte Fiktionen“. Der Berliner verwies auf den Krimi „Zodiac – Die Spur des Killers“, der auf einem wahren Verbrechen beruht, oder das Drama „Spotlight“, in dem Journalisten den sexuellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Boston aufdecken, auf „22. Juli“ und „Utoya, 22. Juli“ sowie auf jüngere Filmbiografien etwa von Neil Armstrong („Aufbruch zum Mond“), Freddie Mercury („Bohemian Rhapsody“) oder Elton John („Rocketman“, startet am30.Mai in den deutschen Kinos).

Filme, die auf wahren Begebenheiten beruhen, hätten derzeit Konjunktur, stellte Midding fest. „Sie geben das Versprechen aus, dass in ihnen die Fiktion durch Wurzeln in der Realität beglaubigt wird.“ Damit befriedigten sie eine zwar nicht neue, aber in ihremAusmaß doch bislang ungekannt große Sehnsucht der Kinogänger, Emotionen zu empfinden, die gleichsam von der Realität und nicht von einer suggestiven Illusionsmaschinerie diktiert würden. „Es fällt nicht schwer“, so Midding, „in einem solchen Kino der Zeugenschaft einen Abwehrreflex gegen die Angebote Hollywoods zu entdecken, das sein Publikum momentan vorwiegend mit Fantasy- und Superhelden-Filmen sowie romantischen Komödien abspeist“.

Wie aus Weltliteratur zuerst Drehbücher und dann Filme werden können, illustrierte der Berliner Publizist Andreas Jacke anhand von Luchino Viscontis „Tod in Venedig“ nach Thomas Manns gleichnamiger Novelle („filmisch meisterlich, als Adaption zweifelhaft“, so Jacke) und Fassbinders „Despair - Eine Reise ins Licht“ nach Vladimir Nabokovs frühem Roman „Verzweiflung“, laut Jacke „ein beachtliches, aber gescheitertes Experiment“.

Die Frühgeschichte des Drehbuchs beleuchtete der Film- und Fernsehwissenschaftler Jürgen Kasten, der in seinem Referat „Worte erzeugen Bilder und Struktur“ darlegte, wie bereits der deutsche Stummfilm eine Reihe herausragender Autoren hervorbrachte. Es waren nicht etablierte Literaten, um die sich die Produzenten weitgehend vergeblich bemühten, sondern junge Autoren unterschiedlichster Herkunft, die bereit waren, sich auf die funktionalen Arbeitsprozesse beim Film einzulassen: von Thea von Harbou („Metropolis“) und Robert Liebmann („Der blaue Engel“), die vom Journalismus kamen, Willy Haas („Die freudlose Gasse“) von der Filmkritik, bis zum Schauspieler Hanns Kräly, der vielfach mit dem Regisseur Ernst Lubitsch zusammenarbeitete, oder Carl Mayer („Das Cabinet des Dr. Caligari“), der bedeutende Drehbücher vor allem für Murnau verfasste.

Jochen Brunow, selbst Autor, etwa von „Berlin Chamissoplatz“ oder „Bella Block“-Krimis, begab sich schließlich auf die Suche nach dem Selbstbild des Drehbuchautors und nach seiner Position in der Branche und in der Öffentlichkeit. „Es ist wie ein doppelt gebrochenes Selbstporträt“, so Brunow, wenn wir Drehbuchautoren als handelnde Figuren in Spielfilmen auftauchen sehen. Im gesamten Verlauf der Filmgeschichte seien die Autoren immer wieder als untätige Müßiggänger gezeichnet worden, deren Arbeit keine wirkliche und damit nur von untergeordnetem Wert sei.Die Schwierigkeiten, der Bedeutung des Drehbuchs für die Filmherstellung die nötige Anerkennung zu verschaffen, fuße damit letztlich auch darin, dass die Autoren selbst ihre Tätigkeit für den Film oftmals geringschätzten. Nur zu bereitwillig hätten sie auf diese Weise an der eigenen Entwertung mitgearbeitet, erklärte Brunow, der auch feststellte: „Der grundsätzliche Mangel, den es gibt, ist der Respekt vor dieser Tätigkeit.“

Die im vergangenen Sommer gestartete Initiative „Kontrakt ’18“, die Drehbuchautoren mehr Einfluss auf „ihre“ Filme verschaffen möchte, sieht er als „historischen Moment“, der weitreichende Folgen in der Filmproduktion haben könnte. Besonders passend zu Brunows Beitrag waren die Filme „The Player“ (1992), „Adaptation“ (2002), „7 Psychos“ (2012) und „Trumbo“ (2015), die im Laufe des Symposiums gezeigt wurden und die auf sehr unterschiedliche Weise vom aufreibenden Autorenberuf imFilmbusiness erzählten.

11.04.2019

Wofür es sich zu kämpren lohnt

Die Rheinpfalz berichtete am 16. März 2019 über die Vorführung von "Deckname Jenny" im Cinema Quadrat.

 

Von Stefan Otto

„Wofür würdest du auf eine radikale Weise einstehen?“Um diese Frage geht es der 55-jährigen Regisseurin Samira Fansamit ihrem Film „Deckname Jenny“, den sie in Mannheim vorstellt. Fansa ist eine Transfrau, die 1999 Aufmerksamkeit erregte, als er/sie aus Protest gegen den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr einen Farbbeutel auf den damaligen Außenminister Joschka Fischer warf. Anarchie im Cinema Quadrat.

Die Klimakrise, das Absaufen von Flüchtlingen im Mittelmeer oder die Kasernierung der Geretteten in Flüchtlingslagern – das will eine Gruppe junger Leute nicht länger hinnehmen. Die autonome Bewegung im Berliner Untergrund versucht, die Machtverhältnisse zu ändern und schreckt dabei auch nicht vor illegalen Mitteln zurück. „Jenny“ lautet der Kampfname einer jungen Frau in dieser Szene. Als ihr Vater von den militanten Ambitionen erfährt, und sich Sorgen macht, reaktiviert er seine Kontakte zu alten Genossen, mit denen er in den 70er-Jahren als Teil der Bewegung 2. Juni und der Revolutionären Zellen selbst den Kampf gegen „das System“ aufgenommen hatte.

Mit seine Filmfiguren verleiht Samira Fansa den Autonomen, Aktivisten und Anarchisten individuelle Gesichter, wo sonst meist vom „Schwarzen  Block“ gesprochen wird, der 2017 beim G20-Gipfel in Hamburg in Erscheinung trat. „Die mögen ja alle verschroben sein oder auch nicht, aber ihre Aktionen haben einen Grund: Sie halten die Verhältnisse nicht aus“, sagte sie. „Der ’Schwarze Block’ lässt sich sehr gut kriminalisieren, pathologisieren und entpolitisieren.“

Die Regisseurin, die ihren Vornamen Samir in Samira abwandelt hat, weil sie sich nicht als Mann sieht, sondern mit dem weiblichen Geschlecht identifiziert, trat inMannheim mit einer Perlenkette über dem schwarzen T-Shirt, in einem Rock und mit Stulpensocken vor die Zuschauer. Mit dem Filmkollektiv Schwarzer Hahn hatte sie bereits die Dokumentation „Verdrängung hat viele Gesichter“ gedreht und verschiedene Kurz- und Essayfilme. Ebenfalls im Kollektiv entstand ihr erster Spielfilm „Deckname Jenny“, in dem sie das soziale Gefüge der autonomen Szene näher betrachten will. Sie blickt hinter die Vermummungen, die dunklen Sonnenbrillen und unter die schwarzen Kapuzen. Autonome sollen nicht mehr „als Monster oder Unmenschen erscheinen, die nur Lust an Randale haben“.

12.12.2018

Die Kunst der Kino-Erzählung

Am 23.10.2018 berichtete der Mannheimer Morgen über das 33. Mannheimer Filmsymposium im Cinema Quadrat.

 

Von Hans-Günter Fischer

„Wie kommt die Magie in einen Film hinein? Na ja, das weiß ich auch nicht so genau“, gesteht Henk Drees entwaffnend offen. Da er meistens als Dokumentarfilm-Dramaturg und -Cutter (Schnitttechniker) arbeitet, ist er zudem von Haus aus weniger für magische Momente zuständig als jemand, der an großen Kino-Epen feilt. Obwohl: Das „Storytelling“ (Geschichtenerzählen) sei auch in den Dokumentationen sehr erwünscht, zumindest von den Auftraggebern in den (Fernseh-) Redaktionen, findet Drees.

Sogar die Abenteuerreise eines Helden in drei Akten sei nicht ausgeschlossen. Wie geht man als Cutter dabei vor? Man sichte erst einmal das Ausgangsmaterial: die Flut der Bilder. Und begebe sich auf eine Suche nach erzählerischen Kleinstmotiven, frei nach einem vielzitierten Eichendorff-Gedicht gelte auch hier der Grundsatz: „In den kleinsten Dingen ist Erzählung, Narrativität.“

Auf der Suche nach Magie

Wie aus den kleinsten Ansätzen zu einer Handlung Drehbücher und schließlich Kinofilme werden, ist im Kommunalen Kino Cinema Quadrat Thema beim 33. Mannheimer Filmsymposium. Wieder geht es dabei um „Magie“: um die des filmischen Erzählens. Bis dahin ist es ein weiter Weg, wie der Berliner Film- und Fernsehwissenschaftler Jürgen Kasten nachzeichnet, mit einem Vortrag zu den Anfängen des Drehbuchschreibens. Denn der alte, fromme Spruch „Im Anfang war das Wort“ stimme natürlich nicht, erklärt der Referent. Im Anfang sei das Bild gewesen: Filme waren Stummfilme und in der Frühzeit, in den Jahren kurz nach 1900, höchstens drei Minuten lang. Und sie bestanden aus nur einer Einstellung.

Erst als sie länger und komplexer wurden, war so etwas wie eine planvolle Vorfestlegung ihres Inhalts nötig. Hatten Filmemacher in der Zeit davor höchstens auf ihren damals abknöpfbaren Hemdmanschetten spärliche Notizen angefertigt, wurden jetzt die ersten echten Drehbücher verfasst. Zunächst noch handschriftlich, dann mit der Schreibmaschine. Dies geschah in allen großen Filmländern in etwa gleichzeitig: um 1910 herum.

Um 1920 folgte eine große Expansionsphase, zumal in Deutschland, das zum Eldorado auch für DrehErst als sie länger und komplexer wurden, war so etwas wie eine planvolle Vorfestlegung ihres Inhalts nötig. Hatten Filmemacher in der Zeit davor höchstens auf ihren damals abknöpfbaren Hemdmanschetten spärliche Notizen angefertigt, wurden jetzt die ersten echten Drehbücher verfasst. Zunächst noch handschriftlich, dann mit der Schreibmaschine. Dies geschah in allen großen Filmländern in etwa gleichzeitig: um 1910 herum. Um 1920 folgte eine große Expansionsphase, zumal in Deutschland, das zum Eldorado auch für Drehbuchschreiber wurde. Und für Schreiberinnen: Thea von Harbou war die erfolgreichste, sie wurde wegen ihrer fehlenden Berührungsängste dem Trivialen gegenüber auch als „Lady Kitschener“ bezeichnet. Hollywood mag damals einiges von ihr gelernt haben, sie stellte Thesen auf, die viele Drehbuchschreiber heute noch beherzigen, wie etwa diese: „Wenn der Zuschauer den Kopf schüttelt und stutzt, hat unser Film bereits die Schlacht verloren.“

Logische Handlung gefragt

Also bloß kein Kopfschütteln verursachen mit Handlungselementen, die den Zuschauer verwirren könnten. Immer logisch sein, im Zweifelsfall auch logischer als das reale Leben. Aber gilt das wirklich noch in derart reiner Form? Das Mannheimer Symposium zeigt auch auf, wie im Verlauf der Filmgeschichte Strategien eines eher unberechenbaren,nicht mehr „zuverlässigen“ Erzählens immer wichtiger geworden sind. Das alte Drei-Akt-Schema mit der Läuterung des Helden und dem serienmäßig eingebauten Happy End wird nur noch selten ungebrochen durchgehalten, klassische Dramaturgien scheinen ausgereizt und auserzählt zu sein.

In Mannheim listet Filmprofessor Marcus Stiglegger Einzelstrategien auf, die Unordnung in das Geschehen bringen können: Auflösung der Grenzlinie zwischen der Imagination und der Realität (etwa in David Lynchs „Mulholland Drive“), Erzählen aus der subjektiven Perspektive der verschiedenen im Film behandelten Personen und so weiter. Sogar Rückblenden wollen die Handlung nicht immer verdeutlichen – sie „lügen“ manchmal auch.

Im Ganzen werden filmische Erzählungen und damit ihre Drehbücher komplexer. Mit den neuen „immersiven“, also umfassenden Medien wird die Grenze zwischen Wirklichkeit und Illusion (beziehungsweise virtueller Welt) noch offener, aktive Zuschauer können wie in Computerspielen demnächst wohl selbst zu Handlungsträgern werden.

Welche Konsequenzen für das filmische Erzählen dadurch zu erwarten sind, fragt sich der Medienwissenschaftler Ludger Pfanz. Er wählt für seinen Vortrag einen schönen Titel, der zusammenfasst, worauf es einem guten Drehbuch, ja dem Kino selbst, am Ende ankommt: „Life without the boring parts“ zu zeigen. Also: Leben ohne lähmende, langweilige Alltäglichkeiten.

11.12.2018

Filmbücher neu aufgelegt

Bände über Hitchcock und Polanski wieder erhältlich

 

 Die zwischenzeitlich vergriffenen Bände aus der Reihe "Psychoanalyse und Filmtheorie im Dialog" über Alfred Hichcock und roman Polanski sind beim Psaychosozial-Verlag neu aufgelegt worden. Der Filmjournalist Hans Helmut Prinzler hat auf seiner Webseite zwei Kurzrezensionen dieser Bände veröffentlicht.

14.11.2018

100 Jahre Novemberrevolution 1918

Auf vielfältigen Wunsch veröffentlichen wir den Vortrag, den Mia Lindemann am 09.11.2018 bei unserem Themenabend 100 Jahre Novemberrevolution im Cinema Quadrat gehalten hat.

 

Die Macht in den Händen von Arbeiter- und Soldatenräten, während eine jahrzehntelange dumpfe Herrschaft von Adel und Junkern, Militär und Großbourgoisie an einem Tag zusammenbricht! Das ist Revolution!

Dieser Tag ist ein Tag der Freude, und wir erinnern uns gerne daran! Denn die Massen hatten sich in jenem November 1918 erhoben, um endlich den Frieden durchzusetzen und um diejenigen, die ihnen das fürchterliche Kriegsjoch, die Militärdiktatur unter kaiserlichem Mantel, den Ausnahmezustand, den Hunger, das Fehlen aller staatsbürgerlichen Freiheiten (Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit) beschert hatten, hinwegzufegen. Die Massen, die Arbeiterklasse. Nicht unter der Führung einer Partei, sondern als spontaner Aufstand.

Die Arbeiterklasse war sozialdemokratisch und gewerkschaftlich geschult. Sie hatte über Jahrzehnte erlebt, wie durch den solidarisch geführten gemeinsamen Kampf Fortschritte zu erringen sind, wie sich ihre parlamentarischen Vertretungen verankerten und ihre Organisationen mächtiger wurden. Es gab immer auch Auseinandersetzungen, wie z.B. im Deutschen Metallarbeiterverband, auch hier in Mannheim, aber sie führten nicht zur Spaltung.

Das wurde anders mit dem Weltkrieg: Während vorher für Internationalismus und Frieden demonstriert worden war, beschlossen nun die Sozialdemokraten die Bewilligung von Kriegskrediten im Reichstag. Mit der Burgfriedenspolitik versprachen die Gewerkschaften den Verzicht auf Streiks und Lohnforderungen und akzeptierten die rabiaten Anforderungen der Kriegswirtschaft. Durch die Kriegssituation war das Deutsche Reich von seinen Rohstoff- und Lebensmittellieferanten bald abgeschnitten. Schon seit Beginn 1915 wurde die Lebensmittelversorgung rationiert. Die breite Masse der Bevölkerung war dauernd unterernährt. Nur Arbeiterinnen und Arbeiter in den Rüstungsbetrieben erhielten Lebensmittelzulagen. Der Schwarzmarkt blühte, die dünne Schicht der Kriegsgewinnler lebte gut.

Die Arbeiterklasse war selbstbewusst. Das schloss die Arbeiterinnen ein, die während des Krieges in großer Zahl sowohl in der Kriegs- als auch in der Friedensindustrie eingesetzt wurden. Arbeiter und Arbeiterinnen organisierten trotz des Verbots gemeinsame Streiks, Lohnbewegungen, aber auch politische Streiks wie den großen Januarstreik 1918 und bildeten an der Basis gemeinsame Räte oder Ausschüsse mehrheitssozialdemokratischer und unabhängiger Arbeiter_innen, während ihre Arbeiterorganisationen ständig bemüht waren, die Bewegung zu dämpfen.

Dies alles gilt auch für Mannheim als traditionelle SPD-Hochburg in einem als revisionistisch verschrieenen Landesverband.

Zum sozioökonomischen Hintergrund vor dem 1. Weltkrieg: Baden war damals ein agrarisch geprägtes Land. Fast 2/3 der Bevölkerung lebten in Dörfern. Es galt Realteilung und wegen der kleinbäuerlichen Struktur waren etwa 2/3 der landwirtschaftlich tätigen Familien auf Nebenerwerb angewiesen. Rund 1/3 der Belegschaften der Mannheimer Großbetriebe lebte auf dem Land, vor allem die un- und angelernten Arbeiter, während die Facharbeiter eher in der Stadt wohnten.

Auf dem Land wiederum war die katholische Volkspartei, das Zentrum, sehr stark. Bei den Reichstagswahlen, bei denen nur die Männer wählen durften, erhielt das Zentrum Anfang des Jahrhunderts die meisten Stimmen in Baden, erst vor dem Ersten Weltkrieg wurde es von den Liberalen überflügelt. Die SPD war vor allem in den Städten stark und in deren nächster Umgebung. D

er Reichstagswahlkreis Mannheim war der SPD seit 1890 fast durchgehend sicher. Sozialdemokratische Sportvereine, die Freireligiösen, die Naturfreunde – das sozialdemokratische Milieu war in den städtischen Arbeiterquartieren, Schwetzinger Vorstadt, Lindenhof, Jungbusch, Neckarstadt, Waldhof, aber auch Käfertal und Feudenheim, allumfassend organisiert. Und gerade hier in Mannheim hatte man besonders früh angefangen, in der Stadtverordnetenversammlung und im Stadtrat mitzuarbeiten, nämlich seit 1878.

Die Kriegspolitik der SPD und der Gewerkschaften riefen die Spaltung hervor. Im April 1917 meldete der Metallarbeiter Hermann Remmele die Gründung einer USPD-Ortsgruppe beim Bezirksamt Mannheim an. Beim Januarstreik 1918 mit rund 15.000 Streikenden wurde der Streikausschuss schon paritätisch aus MSP und USP gebildet. Gemäßigte USP-Sprecher forderten gemeinsam mit den Mehrheitssozialdemokraten, man dürfe das Vaterland nicht den annexionslüsternen Feinden überlassen, forderten aber die Ablehnung der Kriegskredite. Weitere Forderungen bezogen sich auf die Einführung der parlamentarischen Demokratie und der staatsbürgerlichen Freiheiten sowie auf die Verbesserung der Ernährungslage. Zu dieser Zeit war Hermann Remmele schon wieder eingezogen.

Wer war dieser Hermann Remmele? (Ich gehe auf seine Biografie ein, weil er und sein Bruder Adam in Baden und im Reich eine nicht unbedeutende Rolle spielten. Sie repräsentierten die beiden Flügel der Arbeiterbewegung) 1880 als Sohn eines Hilfsmüllers in Ziegelhausen geboren, machte Hermann eine Lehre als Eisendreher in Ludwigshafen und trat wie sein älterer Bruder Adam früh in die Gewerkschaft und die SPD ein. Über die Jugendorganisation bekam er Kontakt zu Karl Liebknecht und war auf der Parteischule in Berlin 1907/1908, als Rosa Luxemburg dort Dozentin war. 2 Jahre später begegnen wir ihm in Mannheim als Organisator des parteiinternen oppositionellen Karl-Marx-Clubs, der gegen die revisionistische badische SPD-Führung auftrat. Streitpunkt waren die Bündnisse mit bürgerlichen Parteien im Landtag. Seit dem 1. August 1914 war er im Krieg.

In den Monaten vor der Revolution warnten Gewerkschaften und SPD die Arbeiter, auf keinen Fall zu streiken oder zu demonstrieren. Mal war die Begründung, den kämpfenden Truppen nicht in den Rücken zu fallen, mal war es die Warnung vor dem Chaos einer bolschewistischen Revolution nach russischem Muster. Wurden einerseits solche Anweisungen strikt befolgt, gab es andererseits auch immer wieder Belegschaften, die ausscherten, wie z.B. BBC mit anarchosyndikalistischen Kampfformen, wie sie in Mannheim immer mal wieder gebraucht wurden, d.h. sie setzten ihre Forderungen unmittelbar durch.

Am 5. November tauchten in Straßenbahnen und Arbeiterpendlerzügen Flugblätter mit der Aufforderung auf, Arbeiter- und Soldatenräte zu bilden mit der Parole: Es lebe die sozialistische Republik!

Anton Geiß, Vorsitzender der Mannheimer und der badischen Sozialdemokratie, berichtete später: „In diesen Tagen hat sich in Mannheim unter der Arbeiterschaft eine gewaltige Gärung gezeigt, namentlich in Fabriken von Benz, Lanz u.a., welche Tausende von Arbeitern beschäftigen, die sich mit Politik betätigen und von Werkstatt zu Werkstatt gehen, von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz. Wir haben gefunden, dass die radikalen Elemente daran sind, einen Generalstreik vorzubereiten, und zwar deshalb, weil in Baden nichts geschehe“, während im Reich bereits die Demokratisierung eingeleitet werde.

Soldaten ergriffen auch in Mannheim am 9. November die Initiative und besetzten Bahnhof, Post und Rathaus, verhandelten mit dem Generalkommando und versicherten sich, dass dieses nicht eingreifen würde. Sie gründeten mit Mitgliedern der USPD einen vorläufigen Arbeiter- und Soldatenrat, während die Mannheimer Mehrheitssozialdemokraten einen Wohlfahrtsausschuss mit Vertretern aller Parteien und Gewerkschaftsfunktionären ins Leben riefen, wie ihre Karlsruher Genossen. Die Karlsruher bildeten dann am nächsten Tag auch gleich eine vorläufige Volksregierung für Baden aus Mitgliedern der MSP und der bürgerlichen Parteien. Damit hatten nur Baden und Württemberg eine aus sozialdemokratischen und bürgerlichen Parteien gemischte vorläufige Volksregierung. Als Ministerpräsident wurde in Baden Anton Geiß gewählt.

In Mannheim war jedoch am 10. November der Wohlfahrtsausschuss von der Bühne verschwunden, stattdessen wurden vormittags Vertrauensleutewahlen zum Arbeiter- und Soldatenrat abgehalten, nachmittags tagte dieser zum ersten Mal: 25 Mehrheitssozialdemokraten, 25 Unabhängige als Delegierte der Arbeiter und 20 Soldaten. Die einstimmige Entschließung dieser ersten gemeinsamen Sitzung lautete: „Der Arbeiter- und Soldatenrat der Stadt Mannheim schlägt den (…) Arbeiter- und Soldatenräten der größeren badischen Städte vor, sofort die nötigen Schritte zu tun, um Baden als sozialistische Republik zu proklamieren und die Bildung einer Volksregierung in die Wege zu leiten. Der AuSR gibt sich der Überzeugung hin, dass die seitherigen Regierungsstellen im Geiste der neuen Formen ihre Geschäfte weiterführen werden, natürlich unter Kontrolle und Aufsicht der berufenen Organe des AuSR.“ Der AuSR wählte einen Militärbefehlshaber und einen Vollzugsrat, dem 3 Mehrheitssozialdemokraten, 3 Unabhängige und 4 Soldaten angehörten. Hermann Remmele rückte noch am Nachmittag nach, weil einer der Gewählten, Adolf Schwarz, Minister der USP in Karlsruhe wurde.

Der Vollzugsausschuss veröffentlichte am 12. November folgende Bekanntmachung: Die staatlichen und städtischen Behörden in Mannheim arbeiten unter der Aufsicht des AuSR. Sie sind nunmehr im Namen des Volkes tätig. Ihren Anordnungen ist Folge zu leisten.(…) Eine Unterbrechung der Verwaltungstätigkeit und der Rechtspflege treten nicht ein.

Der AuSR sah es zunächst als seine Aufgabe an, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Angesichts der enormen Aufgaben, die zu bewältigen waren, Truppendurchmärsche (Rückzug der Westfront), Entwaffnung und Verpflegung der Soldaten, Lebensmittelversorgung der Bevölkerung, Wohnungsnot – war die Zusammenarbeit mit den Behörden notwendig. So erledigte man quasi als Hilfsorgan der Verwaltung deren Aufgaben mit. Allerdings konfliktfrei war die Praxis des Arbeiterrats nicht. So beschlagnahmte er regelmäßig Lebensmittel in Betrieben und bei Vermögenden, griff bei der Verteilung von Heizmaterial und Wohnungen ein, auch gegen die Anweisungen mehrheitssozialdemokratischer 5 Führungen, der badischen Landeszentrale der Arbeiterräte und des Zentralrats der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin.

Ab 30. November lag Mannheim in der entmilitarisierten Zone, Soldaten durften sich hier nicht mehr aufhalten. Daher schieden die Soldaten aus dem AuSR aus, er hieß fortan Arbeiterrat. Vorsorglich hatte der Arbeiter- und Soldatenrat zuvor bereits eine Volkswehr gebildet, 300 ausgesuchte Genossen und weitere 700 Schutzmänner, die der Polizei angegliedert wurden.

Noch im November hatte der Mannheimer AuSR die badischen Arbeiter-, Soldaten- und Volksräte zu einer Landesversammlung am 21./22. November nach Mannheim eingeladen. Hier erschienen über 1000 Delegierte aus 70 Orten. Sie erklärten sich zum Vorparlament der freien Republik Baden (nicht: der sozialistischen!) und wählten einen Landesausschuss der Arbeiterräte, der aus MSP und USP bestand, daraus wurde eine 3-köpfige Landeszentrale gewählt, die nur aus Mehrheitssozialdemokraten bestand und als Kontrollorgan der vorläufigen Volksregierung fungieren sollte. Ihr gehörte Adam Remmele an, der ältere Bruder von Hermann. Adam Remmele war Stadtrat der MSP in Mannheim und Redakteur der Volksstimme. Er machte sich mit seinen beiden Kollegen aus Heidelberg und Pforzheim dafür stark, den Einfluss der Arbeiterräte zu begrenzen und ihnen unbefugte Eingriffe in die Tätigkeit der Verwaltungen zu untersagen. Eine am 21. November ebenfalls angesetzte Volksversammlung in Mannheim ergab ein klares Votum für die schleunigste Ausschreibung von Wahlen zur badischen Nationalversammlung, die bereits am 5. Januar, also vor den Wahlen zur reichsweiten Nationalversammlung stattfinden sollte. Die badischen Arbeiter- und Volksräte (Fast alle hatten sich in Volksräte umbenannt) sahen sich nicht im Gegensatz zur Nationalversammlung. Lediglich der linke Flügel der USP, vertreten durch Hermann Remmele verlangte wenigstens eine zeitliche Verschiebung, wurde aber nicht gehört. Mit der Wahl zur Nationalversammlung sollten die Räte aufgelöst werden, tatsächlich wurden sie im Spätsommer 1919 aufgelöst.

Die Bindung der mehrheitssozialdemokratischen Arbeiter an ihre Partei hielt noch recht lange: bei den Wahlen zur badischen verfassunggebenden Nationalversammlung am 5. Januar erzielte sie in Mannheim 50,6 % der Stimmen (fast 50.000 Wähler und Wählerinnen gaben ihr die Stimme), die USPD kam nur auf 4,9 % der Stimmen (fast 5.000), in Baden insgesamt auf nur 1,5 %. Insgesamt kamen die bürgerlichen Parteien in Baden auf eine Zweidrittelmehrheit in der badischen Nationalversammlung.

Die Mehrheitssozialdemokratie konnte die Mannheimer Arbeiter und Arbeiterinnen am 6. Januar zu einer Massendemonstration gegen den angeblichen Putschismus des Spartakusbundes mobilisieren. 50.000 nahmen an dieser Demonstration teil. Polizeipräsident Eichhorn in Berlin hatte sich geweigert, gegen die Volksmarinedivision vorzugehen und wurde dafür im Januar entlassen. Das führte zu den Massendemonstrationen und Protestaktionen ab 5. Januar in Berlin, die als Spartakusaufstand in die Geschichte eingegangen sind (obwohl der Spartakusbund nur einer der Beteiligten war), dann von Gustav Noske und den inzwischen gebildeten reaktionären Freikorps niedergeschlagen wurde.

Am 15. Januar wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet. An den darauf folgenden Trauerumzügen und Protestdemonstrationen am 17. Januar und am 7. Februar beteiligten sich die Mannheimer Arbeiter zu Tausenden, auch die mehrheitssozialdemokratischen, wie Adam Remmele schreibt. Von hier an wendete sich das Blatt. Unterstützt durch eine eigene Zeitung, die „Tribüne“, deren Redakteur Hermann Remmele war, konnten die Unabhängigen einen Aufschwung verzeichnen. Auch die zum Jahreswechsel gegründete KPD war nun präsent. Noch war sie politisch sehr heterogen. So wurde in ihrer Zeitung „Die Rote Fahne“ 1919 noch regelmäßig für Veranstaltungen der anarchosyndikalistischen „Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften“ geworben. Aber auch die USP kannte da keine Berührungsängste: Für den 21. Februar hatte sie zu einer Großkundgebung in den Rosengarten eingeladen mit dem Hauptredner Erich Mühsam, dem anarchistischen Dichter und Aktivisten. Über 6.000 Menschen im überfüllten Rosengarten wurden Zeuge, wie Mühsam ein Zettel hingeschoben wurde, er bleich wurde und dann schrie: „Genossen, vor wenigen Stunden ist Kurt Eisner in München ermordet worden!“ Die USP, die auch die Leitung des Metallarbeiterverbandes innehatte, rief zum Generalstreik auf, der auch von den mehrheitssozialdemokratischen Arbeitern befolgt wurde, und zur Kundgebung am darauffolgenden Tag. Die Berichte über die Teilnehmerzahlen schwanken zwischen 10.000 und 30-40 Tausend. Hermann Remmele appellierte an die Arbeiter, die Novemberrevolution zu vollenden, der Redner der KPD forderte die Arbeiter auf, die Betriebe in ihre Hand zu nehmen und sich zu bewaffnen, die Syndikalisten riefen zur direkten Aktion auf. Schließlich wurde die Räterepublik proklamiert!

Im Anschluss daran zog ein kleiner Teil der Demonstranten, etwa 1.000, zum Schloss und stürmte Gericht und Gefängnis, befreite die Gefangenen, warf Akten und Großherzogsbilder auf die Straße, auch die bürgerlichen Zeitungen und die Volksstimme wurden besetzt. Ein revolutionärer Arbeiterrat setzte sich als Oberste Behörde ein und verbot Plünderungen und sonstige Straftaten und verhängte das Standrecht.

Aber diese Räterepublik dauerte keine 24 Stunden. Mehrheitssozialdemokraten und gemäßigte Unabhängige verhandelten bereits über die Wiedereinsetzung des vorherigen Arbeiterrats und es endete damit, dass im Vollzugsausschuss nun die Mehrheitssozialdemokraten die Mehrheit hatten mit 5 Sitzen, die Unabhängigen nur noch 3 und die KPD einen Sitz erhielt.

Es kam im Anschluss auch noch zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Mehrheitssozialdemokraten und Linken um das besetzte Gebäude der Volksstimme. Dabei kam der Leiter der Konsumgenossenschaft Jakob Müller, Vater von 6 Kindern, ums Leben.

Die badische Regierung verhängte sofort den Belagerungszustand und forderte die Verbände an, die zur Aufstandsbekämpfung auch schon im Ruhrgebiet eingesetzt worden waren: das berüchtigte Freikorps Pfeffer stand bei Seckenheim, wurde aber glücklicherweise nicht eingesetzt, da Mannheim ruhig sei, hieß es. Die Vereinigung der Angestellten kabelte an die Regierung ihren Protest gegen die Vergewaltigung der Stadt Mannheim durch den Militarismus.

Eine wohl von der USP angetriebene Einigungsbewegung des Proletariats in den Betrieben im März 1919 wählte einen aus MSP, USP und KPD besetzten Aktionsausschuss, der ein Programm erstellte, das in den Betrieben in „unzähligen Massenversammlungen“ – so die Tribüne – abgestimmt worden sei. Hier forderte man die gesetzliche Verankerung der Arbeiter-, Soldaten-, Betriebs- und Wirtschaftsräte, die Auflösung der Freiwilligenkorps und Bildung einer revolutionären Arbeiterwehr und die Beschleunigte Vergesellschaftung der gesamten Gütererzeugung, des Großgrundbesitzes, der Bergwerke, Verkehrseinrichtungen und Schiffahrtsgesellschaften, die sofortige Sozialisierung der dafür reifen Betriebe. Diese Sozialisierungsforderung, die eigentlich eine Kernforderung der Revolutionäre war, wurde in Baden kaum diskutiert.

Ein Jahr später, als es um die Abwehr des rechtsradikalen Kapp-Putsches ging, wurde wieder ein revolutionärer Arbeiterrat gegründet, jetzt wurden revolutionäre Betriebsräte gewählt und die großen Betriebe in Mannheim wirklich besetzt: ein letzter ernsthafter Versuch, die Revolution doch noch fortzusetzen, in dem sich die Arbeiter die Produktionsmittel aneignen wollten. Aber auch dieser Aufstand scheiterte daran, dass die Revolutionäre in der Minderheit waren, dass sie in Südwestdeutschland isoliert waren und die militärische Überlegenheit der Gegenseite gesichert war. Inzwischen sorgte auch Adam Remmele als badischer Innenminister dafür, dass die Revolutionäre nicht mit Waffen versorgt wurden.

Obwohl die Arbeiterklasse die Einheit wollte, nahm die Spaltung zu: Bei den Reichstagswahlen im Juni 1920 fiel in Mannheim der Anteil der SPD von 50 % auf 30 %, der Anteil der USPD stieg auf 20,6 %.

Ihr wisst den Fortgang der Geschichte: Im Herbst 1920 wechselte der linke Flügel der USPD in die KPD und die KPD wuchs in der Weimarer Republik in Mannheim noch kräftig an; am Ende der Weimarer Republik war sie stärker als die SPD, und beide zusammen hätten die Nazis in die Schranken weisen können.

Was wurde aus unseren Protagonisten? Hermann Remmele rückte gleich ins ZK der KPD auf, war auch Vorstandsmitglied des EKKI, und blieb im ZK bis 1932, emigrierte in die Sowjetunion und wurde dort im Zuge der Stalinschen Säuberungen 1939 erschossen, sein Sohn Helmut bereits ein Jahr vorher.

Adam Remmele war bis 1931 in der badischen Regierung, teils als Staatspräsident, teils als Innenminister, teils als Justizminister. Die Nazis brachten ihn in einer Schaufahrt zusammen mit Ludwig Marum ins KZ Kislau, aus dem er – im Ggs. zu Marum - nach einem Jahr wieder frei kam. Er überlebte in Hamburg. Marum, als Sozialist und Jude, wurde erhängt.

Beide Brüder waren zeitweise Reichstagsabgeordnete und wurden dort als die feindlichen Brüder bezeichnet. Sie sollen sich nicht mal gegrüßt haben.

Aber zurück zur Novemberrevolution:

Was waren nun eigentlich die Haupt-Konflikte, die das Scheitern der Novemberrevolution aus der Sicht der Linken bedingten?

Zunächst war die Frage: Räte- oder parlamentarische Republik? Die Linken wollten, dass die politische, militärische und ökonomische Macht bei den Arbeiterräten liegen sollte. Das schien am Anfang auch der Fall zu sein. Aber die Räte entmachteten sich selbst, in dem sie die sofortige Wahl einer Nationalversammlung beschlossen. Die Mehrheitssozialdemokraten wollten die parlamentarische Demokratie, eine soziale Republik und keine sozialistische Räterepublik. Das Gespenst bolschewistischer Diktatur wurde an die Wand gemalt. Auf der Führungsebene der Parteien verquickten sich sozialdemokratische gegenrevolutionäre Ordnungsvorstellungen mit reaktionären adligen und bürgerlichen Interessen; das führte zum gemeinsamen Ziel, die Revolution niederzukämpfen, führte zum blutigen Regime der Freikorps und zur Niederwerfung aller Aufstände, die die weitergehenden Ziele der Revolution durchsetzen wollten.

Ich halte es für zu kurz gegriffen, die Ursache in fehlender Aufklärung der Massen über den Charakter des bürgerlichen Parlamentarismus zu suchen. Denn die mehrheitssozialdemokratischen Funktionäre hatten durch jahrelange Mitarbeit in Gemeinderäten und Landtagen oder dem Reichstag längst ihren Frieden mit diesen politischen Formen geschlossen, sie wollten lediglich ihre Demokratisierung.

Kernforderung der Linken war neben der politischen Macht die Sozialisierung jedenfalls der dafür reifen Industrien, des Bergbaus und des Bankensektors, wobei hier von verschiedenen Gruppen Verschiedenes gefordert wurde. Die Führung der SPD und der Freien Gewerkschaften hatten sich mit der OHL und der Schwerindustrie darauf verständigt, die Sozialisierung zu verhindern. Und so war auch die eingesetzte Sozialisierungskommission eigentlich eine Kommission zur Verhinderung der Sozialisierung.

Eine weitere Kernforderung war die Demokratisierung des Heeres und der Marine. Das Gegenteil hatte Ebert Gröner zugesagt. Aber es wäre kein Hindernis gewesen, wenn die revolutionären Massen stark genug gewesen wären.

So war letztlich die Errungenschaft der Novemberrevolution eine demokratische Republik, die aber die reaktionäre Herrschaft der Militärs, der Junker, der Großindustrie und den rechtsradikalen Nationalismus bei ihrer Entstehung, in der Revolution, nicht nachhaltig in die Schranken verwiesen hatte und von daher von Geburt an gefährdet war.

Auf der Ebene marxistischer Theorie können wir sagen, ja, Freiheit und Gleichheit entstehen in der Sphäre der Zirkulation, des Marktes, und sind nur Schein, weil sie das Kapitalverhältnis verstecken, aber sie sind notwendiger Schein. Sklavenarbeit ist unproduktiv, erst der freie Verkäufer seiner Arbeitskraft kann Mehrwert und letztlich Profit liefern.

In der sozialistischen Gesellschaft wird der Mehrwert nicht mehr privat angeeignet, sondern gehört allen. Dennoch setzt das das freie Individuum voraus. Und so gehören – zumindest nach meiner Meinung diese Dinge zusammen: Keine Demokratie ohne Sozialismus – kein Sozialismus ohne Demokratie!