17.05.2022

Im Sog des Surrealismus

Am 16.05.2022 berichtete die Rheinpfalz über den Surrealismus-Abend mit Bettina Haberkost im Cinema Quadrat.

 

Von Stefan Otto

Die französische Hauptstadt Paris,gemeinhin als Stadt der Liebe bekannt,wird im dritten Krimi von Britta Habekost zur „Stadt der Mörder“. Die Bad Dürkheimerin präsentierte ihren neuen Roman, der ins historische Milieu der Surrealisten
führt, umrahmt von Filmen der Zeit imMannheimer Cinema Quadrat.

Die Surrealisten waren „die Schleusenmeister der Moderne“, befindet Habekost, die in Stuttgart Kunstgeschichte und Germanistik studiert hat. „Ich bin sehr sehr gerne geistig zu Hause in dieser lange vergangenen Welt, die sich trotzdem immer wieder so modern und aktuell anfühlt.“ So führt siemit „Stadt derMörder“ ihre Leser ins Paris des Jahres 1924 und lässt sie auf surrealistische Künstler und AutorenwieMan Ray, André Breton, Louis Aragon, Robert Desnos und Philippe Soupault treffen.

Man Rays avantgardistische Kurzfilme „Die Rückkehr zur Vernunft“ und „Der Seestern“, René Clairs „Entr'acte“ und – der bekannteste unter ihnen – „Ein andalusischer Hund“ von Luis Buñuel und Salvador Dalí, spielen imRoman keine Rolle, führen im Cinema Quadrat aber anschaulich und erlebbar jene Zeit und jenen Geist vor Augen, den Habekost auf rund 460 Buchseiten wiederauferstehen lässt.

„Ich finde, ,Ein andalusischer Hund’ ist immer noch starker Tobak, obwohl wir heutzutage bildertechnisch schon so abgestumpft sind“, urteilt die sachkundige Autorin. „Dieser Film hat immer noch eine unglaublich erschütternde
Kraft.“ Seine bekannteste Einstellung, die Rasierklinge, die schmerzhaft durch ein Auge schneidet, fahre sozusagen auch in das Auge des Betrachters, der sich hier 1929 auf eine völlig neue Erzählwelt einlassen musste. „Fast ein bisschen so wie der arme Polizist, der jetzt am Place du Panthéon ermittelnmuss“, leitet Britta Habekost zum ersten Kapitel ihres Romans über, der eine Mordserie im Umfeld der Surrealisten erfindet.

Es ist Dezember, als Lieutenant Julien Vioric sich über den Leichnameines jungen Adligen beugt, der in einem Jutesack steckt. Daneben liegt ein toter Taschenkrebs, in einer Geschichte, die bald auch zu Lysanne Magloire führt, einem unbedarften Mädchen vom Lande, das in Paris nach seiner verschwundenen Schwester sucht. „Wie das eben so ist mit haltlosen jungen Damen des frühen 20. Jahrhunderts“, benennt Habekost ein gerne kolportiertes Klischee,
„gerät sie sehr schnell auf interessante Abwege“.

Der Surrealismus, erläutert die Autorin,die auch unter demPseudonym „Nora Schwarz“ publiziert, entstand als geistige Geburt aus den erschütternden Erfahrungen des Ersten Weltkriegs und spieltmit den Grenzerlebnissen des Bewusstseinswie der künstlerischen Fruchtbarkeit menschlicher Abgründe. Aus diesen verborgenen Tiefen heraus verwebt sich der Krimi besondersmit der Literatur jener Zeit, in der das Finstere und Abseitige schlummert. „Die Surrealisten“,
so Habekost, „waren angetreten, um die Wirklichkeit neu zu verhandeln.Mich begeistert die Sprache, die dadurch entstand“, ein gleichsam anarchistischer Flirt mit dem Absurden, Phantastischen und den Kräften des Unbewussten.

„Ich habe mich schon als kleines Mädchen brennend für alte, versunkene Welten interessiert“, berichtet die 39-Jährige, die „Stadt der Mörder“ ihrem Mann, dem Pfälzer Comedian Christian „Chako“ Habekost, gewidmet hat. Zusammen mit ihm hat die gebürtige Heilbronnerin, die in Ludwigsburg aufgewachsen ist, auch bereits die vier „Elwenfels“-Regionalkrimis
„Rebenopfer“, „Winzerfluch“, „Rieslingmord“ und „Weingartengrab“ verfasst.

Ihr nächstes Buch, kündigt sie an,werde im Oktober unter dem Titel „Melodie des Bösen“ erscheinen. „Das schließtmit denselben Figuren direkt an ,Stadt der Mörder’ an. Nur die Surrealisten spielen da nicht mehr so eine große Rolle, sondern in dieser Fortsetzung wird es um Jazzmusik und Art déco gehen.“

 

22.02.2022

Jubiläumsbroschüre 50 Jahre Cinema Quadrat

Jetzt an der Kinokasse erhältlich: Die Broschüre zum 50. Jubiläum von Cinema Quadrat, mit Daten, Fakten und Anekdoten zur Vereins- und Programmgeschichte: „50 Jahre Cinema Quadrat. Kommunale Filmarbeit in Mannheim“ Herausgegeben von Cinema Quadrat e.V. 124 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, DIN-A 4. Schutzgebühr: 10 Euro. 50 Jahre Cinema Quadrat: Seit 1971 bietet das Mannheimer kommunale Kino Filmkunst in all ihren Facetten. Gegründet als erstes kommunales Kino in Baden-Württemberg und drittes bundesweit entstand das Kino aus den Nachwirkungen der 68er-Bewegung, die auch im Filmbereich neue kulturelle Praktiken nach sich zogen. Cinema Quadrat ist nicht den kommerziellen Erfordernissen der Filmwirtschaft verpflichtet, sondern macht es sich zur Aufgabe, ein sorgfältig kuratiertes Programm aus der gesamten Filmgeschichte und aus allen Ländern zu pflegen, oft begleitet von Einführungen und Diskussionen. Die Broschüre zum 50. Jubiläum stellt ausführlich das Selbstverständnis von Cinema Quadrat dar und führt aus, was unter "kommunaler Filmarbeit" verstanden wird. Die Vereinschronik von Cinema Quadrat der letzten Jahrzehnte wird ebenso beleuchtet wir die Programmgeschichte in ihren vielen Facetten, in ihren Wandlungen und Weiterentwicklungen verschiedener Programmreihen und -schwerpunkten, die teilweise bis heute bestehen. Beispielhaft an vier regelmäßigen Veranstaltungsformaten wird die Vielfalt des Cinema Quadrat-Programms erläutert, nämlich in Hinblick auf die seit 1986 bestehenden Mannheimer Filmsymposien und auf die seit 1998 laufenden Reihe "Psychoanalytiker stellen Filme vor" mit den jährlichen Mannheimer Filmseminaren sowie hinsichtlich des regelmäßigen regionalen Kurzfilmfestivals "Zum Goldenen Hirsch" und der "Grindhouse Double Feature"-Reihe. Rückblicke der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer auf ihre Zeit im Cinema Quadrat runden die Einblicke in fünf Jahrzehnte Cinema Quadrat ab.So bietet die Broschüre "50 Jahre Cinema Quadrat" Einblicke in die Geschichte dieses Kinos, das ein wichtiger Pfeiler der Kulturszene in der Metropolregion darstellt, wie auch in die programmatische Arbeit, die seit 50 Jahren das Motto der kommunalen Kinos in Deutschland hochhält: "Andere Filme anders zeigen".Die Broschüre ist gegen eine Schutzgebühr von 10 Euro an der Kinokasse erhältlich.  

 

Jetzt an der Kinokasse erhältlich: Die Broschüre zum 50. Jubiläum von Cinema Quadrat, mit Daten, Fakten und Anekdoten zur Vereins- und Programmgeschichte:
„50 Jahre Cinema Quadrat. Kommunale Filmarbeit in Mannheim“
Herausgegeben von Cinema Quadrat e.V.
124 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, DIN-A 4. Schutzgebühr: 10 Euro.

50 Jahre Cinema Quadrat: Seit 1971 bietet das Mannheimer kommunale Kino Filmkunst in all ihren Facetten. Gegründet als erstes kommunales Kino in Baden-Württemberg und drittes bundesweit entstand das Kino aus den Nachwirkungen der 68er-Bewegung, die auch im Filmbereich neue kulturelle Praktiken nach sich zogen. Cinema Quadrat ist nicht den kommerziellen Erfordernissen der Filmwirtschaft verpflichtet, sondern macht es sich zur Aufgabe, ein sorgfältig kuratiertes Programm aus der gesamten Filmgeschichte und aus allen Ländern zu pflegen, oft begleitet von Einführungen und Diskussionen. Die Broschüre zum 50. Jubiläum stellt ausführlich das Selbstverständnis von Cinema Quadrat dar und führt aus, was unter "kommunaler Filmarbeit" verstanden wird. Die Vereinschronik von Cinema Quadrat der letzten Jahrzehnte wird ebenso beleuchtet wir die Programmgeschichte in ihren vielen Facetten, in ihren Wandlungen und Weiterentwicklungen verschiedener Programmreihen und -schwerpunkten, die teilweise bis heute bestehen. Beispielhaft an vier regelmäßigen Veranstaltungsformaten wird die Vielfalt des Cinema Quadrat-Programms erläutert, nämlich in Hinblick auf die seit 1986 bestehenden Mannheimer Filmsymposien und auf die seit 1998 laufenden Reihe "Psychoanalytiker stellen Filme vor" mit den jährlichen Mannheimer Filmseminaren sowie hinsichtlich des regelmäßigen regionalen Kurzfilmfestivals "Zum Goldenen Hirsch" und der "Grindhouse Double Feature"-Reihe. Rückblicke der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer auf ihre Zeit im Cinema Quadrat runden die Einblicke in fünf Jahrzehnte Cinema Quadrat ab.

So bietet die Broschüre "50 Jahre Cinema Quadrat" Einblicke in die Geschichte dieses Kinos, das ein wichtiger Pfeiler der Kulturszene in der Metropolregion darstellt, wie auch in die programmatische Arbeit, die seit 50 Jahren das Motto der kommunalen Kinos in Deutschland hochhält: "Andere Filme anders zeigen".

Die Broschüre ist gegen eine Schutzgebühr von 10 Euro an der Kinokasse erhältlich.
 

21.02.2022

Das Kino der Attraktionen

Am 17. Januar 2022 berichtete die Rheinpfalz über das 35. Mannheimer Filmsymposium.

 

Es gibt nur wenige Tagungen wie dasMannheimer FilmsymposiumimCinema Quadrat.Die 35. Ausgabe stand unter demTitel „Magie der Illusion – Filmtricks und Special Effects in der filmischen Erzählung“.Ein Blick hinter die Kulissen, auf die technische Entwicklung und dieMacht der Täuschung.

Eine kleine Spielkarte verwandelt sich in eine große, dann tritt die Herz-Dame leibhaftig hervor.DerKreuz-König bricht aus seiner Zweidimensionalität geradezu aus und entpuppt sich schließlich als der spitzbärtige  Georges Méliès, der Zauberkünstler und Regisseur dieses kurzen Films schon von 1905. „Die lebendigen Karten“ eröffnete innerhalb vonMinuten das ein Wochenende währende Symposium und führte aus der frühesten Zeit des Kinos und seiner Tricks gleich mitten hinein ins Thema. „Man kann kein Symposium über Filmtricks und Special  Effects gestalten, ohne mit Georges Méliès zu beginnen“, erläuterte Peter Bär vomVorstand des Mannheimer Kommunalen Kinos.

Filmtricks sind so alt wie der Film selbst, gab der Berliner Publizist Andreas Jacke („DasMelodram, die Sucht und die Liebe: RainerWerner Fassbinder“) zu bedenken, zumal jede Vorführung auf einer Täuschung beruhe. Schließlich erzeugen die statischen Einzelbilder, die die Kamera aufnimmt,  erst in der schnellen Abfolge ihrer Projektion die Illusion realer Bewegung. Grund ist die sogenannte Trägheit des menschlichen Auges, das Zusammenspiel von stroboskopischer Bewegung und Nachbildwirkung.

Die Erzeugung von Illusionen ist also grundlegend im Film oder, wie Jacke formulierte: „Die Filmtechnik selbst ist ein Filmtrick.“ Von Beginn an sollte - undwollte - das Kinopublikum verblüfft, erschreckt, überwältigt und zum Lachen gebracht oder in alltagsferne Fantasiewelten geführt werden. „Das Illusionskino“, so Jacke, erschafft sich eine virtuelle Welt, in der alles schöner, größer, besser, aber auch dramatischer und grausamer ist als in der Wirklichkeit.“

Von aufwendigen, großen und dramatischen Spezialeffekten berichtete so auch Gerd Nefzer, der den Oscar mitgebracht hatte, mit dem er 2018 für seine Arbeit an „Blade Runner 2049“ ausgezeichnet worden war. Gerade zurückgekehrt von Dreharbeiten für „John Wick: Kapitel 4“, offenbarte er in einempackendenVortrag das Zustandekommen ausgewählter Tricks in „Enemy at the Gates“, „Inglourious Basterds“ oder eben „Blade Runner 2049“. „Ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit Bumsen und Knallen“, eröffnete er gezielt schlüpfrig, um anschließend sachlicher darzulegen,was dahintersteckt,wenn er als offensichtlich
hoch kreativer Handwerker die Vorstellungen seiner Auftraggeber möglichst treffend,wenn nicht gar unübertroffen spektakulär umsetzen möchte. „Und kostengünstig, weil wir Schwaben sind“, so der international
erfolgreiche 55-jährige Special Effect Supervisor aus Schwäbisch Hall. „Physikalische Effekte vor der Kamera haben durchaus noch einen hohen Stellenwert beim Filmemachen, aber irgendwo sind die Grenzen gesetzt. Dann geht es nur noch mit Visual Effects weiter“, schlug er den Bogen zu VFX-Spezialisten wie Michael Brink, der das Animations- und Effekte-Studio LAVAlabsMoving Images leitet.

„Wenn wir unsere Arbeit gut machen, redet man von ,Invisible VFX’“, unsichtbaren visuellen Effekten, erläuterte der Düsseldorfer Brink in einem Werkstattgespräch. Seine Filmbeispiele aus der Fernsehserie „Oktoberfest 1900“, dem Zweiteiler „Die Dasslers – Pioniere, Brüder und Rivalen“ oder dem leider wenig erfolgreichen, bis dato teuersten deutschen Kinofilm „Cloud Atlas“ illustrierten jedoch gerade eine gewisse Ausstellung des Möglichen, eine überbordende Vielzahl visueller Effekte und Computeranimationen, die ihrerseits Aufmerksamkeit für sich beanspruchen und von der Geschichte und Dramaturgie eines Filmswegführen können.

Auch der klassische Abenteuer- und Fantasyfilm„Sindbads 7. Reise“ (1958) mit Stop-Motion-Animationen des bedeutenden Tricktechnikers Ray Harryhausen verwies auf das schwierige Verhältnis von Spektakel und Narration. Die gewaltigen Zyklopen, doppelköpfigen Urvögel, der feuerspeiende Drache oder ein säbelfechtendes Skelett, allesamt Harryhausen-Geschöpfe, denen Sindbad der Seefahrer auf einer Insel begegnet, rufen aus heutiger Sicht zwar Staunen und Bewunderung hervor, weniger jedoch Schauder und Schrecken, die für das Funktionieren der Geschichte doch wichtigerwären.

Filmen, die mit Special oder Visual Effects operieren, wird nicht selten vorgeworfen, ihre Effekte seien im Grunde störende Faktoren, weil sie als visuelles und akustisches Spektakel aus dem Erzählfluss herausstechen. Dabei kommt es auf die richtige Balance von Zeigen und Verbergen, von sichtbaren und unsichtbaren Effekten an, wie Katrin von Kap-herr mit Beispielen von „Citizen Kane“ (1941) bis „ExMachina“ (2014) belegte. „Verborgene Effekte passen sich unauffällig an das Filmbild an, so dass ich als Betrachter gar nichtmehr unterscheiden kann,wo das anfängt oder aufhört“, so die Berliner Medienwissenschaftlerin. Attraktion und Narration müssen keine Gegensätze sein, sondern harmonieren, sobald die gebotenen Attraktionen die Erzählung unterstützen.

Wenn man, wie im Blockbuster-Kino, primär auf dieWirkung spektakulärer Spezial- und Schaueffekte setzt, nutzen sie sich schnell ab. Daher kann das Interesse des Publikums nur wachgehalten werden,wenn die Technik, die Narration und Ästhetik einander ergänzen. Im Idealfall entstehen dann Filme, deren Qualitäten durch Special Effects nur vertieft werden.

17.02.2022

„Die haben schon was, die Filme“

Am 19.01.2022 veröffentlichte Die Rheinpfalz ein Interview mit Harald Mühlbeyer zu seinem neuen Buch "„Grindhouse-Kino: Schund – Trash – Exploitation deluxe!"

 

INTERVIEW: Harald Mühlbeyer hat mit „Grindhouse-Kino: Schund – Trash – Exploitation deluxe!“ sein erstes Buch in seinemeigenen Verlag herausgebracht.

Er habe den Mühlbeyer-Filmbuchverlag nicht gegründet, um eigene Texte zu veröffentlichen, betont HaraldMühlbeyer. Nun ist esdoch dazu gekommen. In seinem Buch beschreibt er seine Erfahrungen mit abseitigen Filmen, die auf die niederen Instinkte zielen und in der Reihe „Grindhouse Double Feature“ im Kommunalen Kino Cinema Quadrat in Mannheim laufen. Unser Mitarbeiter Stefan Otto hat sich mit Harald Mühlbeyer über dessen Buch und über das Genre unterhalten.

Was ist das „Grindhouse Double Feature“?
Das ist eine Reihe, die 2007 im Cinema Quadrat gestartet ist. Damals waren gerade „Death Proof“ und „Planet Terror“ in den Kinos, die in den USA als „Grindhouse Double Feature“ vermarktet und zusammen in einer Vorstellung gezeigtwurden. Das ging zurück auf die Trash-Filme aus den 1970ern, von denen die Regisseure Quentin Tarantino und Robert Rodriguez selbst geprägt worden waren. Im Cinema Quadrat hat man sich damals gesagt, wir zeigen jetzt mal diese originalen Vorbilder. Nach und nach hat man so den ganzen Bereich von Trash und Exploitation abgedeckt und dabei auch rekonstruiert, wie solche Filme damals gezeigt worden waren, nämlich im Double-Feature, also nicht einzeln, sondern gleichzwei hintereinander.

Sie schreiben, als Sie das erste Mal dort waren, wussten Sie nicht, was Sie erwartet?
Ja, nicht wirklich. Dabei wurden die Filme anfangs noch mit Titel angekündigt, anders als heute, wo sie grundsätzlich als Überraschungsfilme laufen. Heute wissen auch die Mitarbeiter des Kinos vorher nicht, was genau kommt. Es ist ein Sammler, Max Dudenhöffer, der das Programm macht, und der kann offenbar aus einem reichen Fundus schöpfen. Ich selbst bin seit dem zweiten Abend im November 2007 dabei und habe damals eben nicht gewusst, was genau sich hinter dem Titel verbirgt. Denn das sind ja Filme, die man sonst nicht kennt und die man auch sonst nirgendwo zu sehen bekommt.Also, ich habe das gesehen und
fand das natürlich gleich super!

Was gibt es da alles für Filme?
Kung-Fu-Filme, Biker-Filme, Sexfilme und Horrorfilme in allen Spielarten. Zombiefilme, Abenteuerfilme und Kriegsfilme, die dann irgendwo im Dschungel spielen, weil man auf den Philippinen billig drehen konnte, und Italo-Western, die man billig in Spanien drehen konnte. Krimis, Schwertkämpferfilme, japanische Monsterfilme und Blaxploitation, also Actionfilme mit schwarzen Protagonisten. Oft wird das dann alles nochmal durchmischt und dann gibt es Krieg plus Zombies und noch irgendwelche Kung-Fu-Kämpfer in einem Film. Das sind im Grunde alles Genrefilme, die billiger produziert und mit deutlicheren Schlüsselreizen versehen wurden. Mit mehr Blut und mit Frauen, die sich irgendwann auchmal ausziehen.

Heute entstehen keine Grindhouse-Filmemehr?
Nein, nicht wirklich. Schon allein deswegen nicht, weil die Qualitätsansprüche inzwischen gestiegen sind. Damals hat man sich nicht darum gekümmert, wenn zum Beispiel die Kamera wackelt oder die Schauspieler nicht spielen können. Weil man hat ja gewusst, die Bahnhofskinos zeigen die Filme auch so.

Sie hatten offensichtlich nicht das Bedürfnis, sich die Filme, bevor Sie das Buch schreiben, noch ein zweites Mal anzuschauen?
Nein, nein. Bei den Texten geht es darum, wie ich spontan reagiere, wenn ich den Film gucke. Was habe ich für Assoziationen, was die Filmgeschichte betrifft, andere Filme aus der Grindhouse-Reihe oder den Zeitgeist damals? Warum wirkt der Film, wie er wirkt, weshalb lache ich jetzt darüber? Dabei ist es mir wichtig, dass  ich nicht schreibe, der Film ist lustig, weil hier hängt der Mikrofonschatten in die Kamera und da guckt der Schauspieler in die falsche Richtung. Denn das ist ja eigentlich normal in diesen Filmen, das will ich nicht explizit schreiben. Der Leser soll lieber so ein bisschen hintenrum mitkriegen, was das eigentlich für Filme sind und warum die dann doch irgendwie interessant sind. Sicher nicht für jeden, sondern man muss schon einen Draht haben für so abseitige und so ein bisschen krassere Sachen. Die haben
schon was, die Filme. Das ist auch der Grund, warum ich das Buch geschrieben habe.
Es ist nicht so, dass ich da mit der Haltung hingehe, ich mache mich jetzt lustig über die schlechten Filme,  sondern ich gucke da schon, ob da irgendwo auch im schlechten Film etwas Interessantes oder Originelles ist. Es geht mir schon auch darum, die Filme nicht fertigzumachen, sondern auch ein bisschen zu würdigen .Manche gehen auch wirklich unter die Haut, weil sie so drastisch sind. Horrorfilme,bei denen man sich wirklich gruselt, oder Actionfilme, die wirklich abgründig sind. Das gibt es durchaus auch, und ich versuche in den Texten dann auch rauszuarbeiten, wie der Film wirkt. Es kann sein, dass in einem Horrorfilm nur schlechte Effekte zu sehen sind, dass er aber trotzdem sehr gut funktioniert. Das kommt dann schon auf den einzelnen Film an.
INTERVIEW: STEFAN OTTO

LESEZEICHEN
Harald Mühlbeyer, Grindhouse-Kino: Schund - Trash - Exploitation deluxe! Mühlbeyer Filmbuchverlag, 248 Seiten, EUR 18,90, ISBN 9783945378656.
ZUR PERSON
Harald Mühlbeyer, geboren 1978, arbeitet seit seinem Magisterstudium der Filmwissenschaft in Mainz als freier Filmjournalist. Er lebt in Frankenthal.

 

16.02.2022

Wirklichkeit des Virtuellen

Am 08. November 2021 berichtete der Mannheimer Morgen über das 35. Mannheimer Filmsymposium.

 

Von Hans-Günter Fischer

Ohne Tricksereien gäbe es kein Kino, keinen Film. Sie sind die unumgängliche Geschäftsgrundlage: weil die Kamera „in Wahrheit“ starre Einzelbilder aufnimmt und erst durch das träge Auge des Betrachters aus den 24 Bildern pro Sekunde eine fließende Bewegung wird, als Teil von einem „Movie“. Unser träges Auge lässt sich also täuschen – und das macht es generell nur allzu gern. Das Kino, namentlich das frühe, kommt vom Rummelplatz, vom Jahrmarkt. Seine Pioniere, wie Georges Méliès, verstanden sich als Zauber- oder Illusionskünstler, die ihre Zuschauer mit neuartigen Tricks verblüfften.

Diskreter Pionier
Deswegen ist es nur folgerichtig, mit Méliès’ „Les cartes vivantes“ das 35. Mannheimer Filmsymposium zu beginnen, das die Überschrift „Magie der Illusion“ trägt. Denn der drei Minuten kurze Film von 1904 spult schon Spezialeffekte ab: Stopptricks und doppelte Belichtungen vergrößern Spielkarten, aus denen schließlich „echte“ Menschen treten. Und schon damals fragte sich das Publikum: Wie hat er das bloß wieder hinbekommen? Was der Zauberkünstler Méliès indessen niemals selbst verraten hätte. Seine Nachfolger waren da meistens weniger diskret.

Aber der Reihe nach: Das Mannheimer Symposium nimmt sich für sein Thema Zeit, drei Tage lang widmen sich seine Teilnehmer im Cinema Quadrat in Vorträgen, Werkstattgesprächen, Diskussionen und natürlich Filmaufführungen der „Wirklichkeit des Virtuellen“, wie es einmal heißt. Am Anfang steht wie stets ein grundlegender Vortrag, der in diesem Fall kursorisch und ein bisschen philosophisch untersucht, wie
Technik und Magie im Film zusammenfinden können.

Dass ohne die Fantasie, das Mitdenken des Zuschauers kein Kino-Wunder möglich sei, wie Referent Andreas Jacke postuliert, wird kaum jemand bestreiten. Jacke hält sich sonst gern an die großen Namen, an
die Meilensteine in der Filmgeschichte – etwa Alfred Hitchcocks „Vögel“, die das ganze damals zur Verfügung stehende Trick-Arsenal genutzt und dadurch glaubwürdig gewirkt hätten. Realität und Virtualität müssten in einer ausgeglichenen Balance gehalten werden. Jacke gibt auch schlechte Beispiele, wie den James-Bond-Film „Die Another Day“ (2002, noch mit Pierce Brosnan), mit der lächerlichen Tarnkappe für des Agenten Lieblingsfetisch: seinen Sportwagen.

Passiert es nicht sehr oft, dass knallige Spezialeffekte „echte“ visuelle Fantasie und eine psychologische Vertiefung der im Film behandelten dramatischen Konflikte eher untergraben? Dass es nur noch ums Spektakel geht? Bisweilen scheint es so zu sein. Aber bisweilen ist das auch nur eine Standardthese weißer alter Männer, die diskurs- und theorietechnisch noch in den 1980ern gefangen sind, deutet die Medienwissenschaftlerin Katrin von Kapherr an. Ja, das Symposium wird in Sachen Referentinnen und Referenten langsam weiblicher, und das bringt einen frischen, wachen Zug hinein.

Von Kap-herr zeichnet technische Entwicklungen präzise nach: vom Filmen an den Originalschauplätzen oder in Studiokulissen über Vorsatzmalereien („Matte Paintings“, häufig auf Glas) bis hin zum „Bluescreen“-Einsatz wurde alles immer raffinierter. Seit den 1990ern auch immer digitaler.

Brad Pitt als Tattergreis
Heute dominierten „CGIs“ („Computer-Generated Images“), erklärt von Kap-herr, und sie seien aus den Filmen nicht mehr wegzudenken.Ein zentrales narratives Element in einer Zeit, in der wir alle Foto-Apps benutzen und uns selbst ein digitales Make-up gönnen. Während man im Kino – in „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ – selbst Brad Pitt in einen runzeligen Tattergreis verwandeln kann.

Der nächste Schritt führt in die „LEDcave“, ein „Labor der unbegrenzten Möglichkeiten“, das sich ebenfalls auf dem Symposium präsentiert: Die „LED-Höhle“ ist schließlich hier in Mannheim eingerichtet worden, sie befindet sich im Stadtteil Vogelstang. Das ziemlich Revolutionäre an der Sache ist, dass anders als bei hergebrachter „Bluescreen“-Technik, die erst in der nachbereitenden „Postproduktion“ zu vollem Einsatz kommt, die virtuellen Hintergründe und Spezialeffekte live in das real gefilmte Bild hineinkopiert werden. Dass also „echte“ Schauspieler direkt im virtuellen Raum agieren können. In „The Mandalorian“, einer trendigen Space-Western-Serie aus den Disney-Studios, kam die neue Technik schon zur Anwendung. Aber das bislang größte LED-Studio Europas, reich bestückt mit hochauflösenden Modulen an der Rückwand wie der Decke, steht nun auf der Mannheimer Vogelstang.