30.11.2023

Keine Chance der Effekthascherei

Am 29.11.2023 berichtete die Rheinpfalz über deb Greta-Gerwig -Schwerpunkt im Dezember-Programm von Cinema Quadrat.

 

VON PETER CLAUS

Mit Blick auf den Profit, ist Greta Gerwig weltweit die Nummer eins des Filmbusiness. Der von ihr inszenierte Kino-Hit „Barbie“ hat rund  um den Globus mehr als eine Milliarde US-Dollar eingespielt. Doch GG, der das Mannheimer Cinema Quadrat im Dezember einen Schwerpunkt  widmet, steht nicht fürs Geschäft.  Sondern für Kunst.


Berühmt wurde Greta Gerwig als Queen of „Mumblecore“. Der Begriff meint weitab de rHollywood-Maschinerie mit kleinem Etat gedrehte Kinospielfilme, bei denen Regie und Schauspiel vor allemauf Improvisationsetzen. Das Markenzeichen: Geschichten über durchschnittliche  Menschen, fern von Glamour und Verklärung. Greta Gerwig verkörpertemehrfach
erfolgreich den Typ „Junge Frau von nebenan“. Mit Kleine-Leute-Balladen wie „Greenberg“ (2010) oder „Frances Ha“ (2012) etablierte sie sich nach vielen weniger bemerkten Auftritten bei Publikum und Kritik als Charakterdarstellerin. Beide Filme hat Noah Baumbach inszeniert. Zwei Söhne haben die beiden inzwischen und gelten als Traumpaar. Worum sie sich nicht scheren. Storys über das Privatleben des Duos gibt es so gut wie keine, auch keine Skandälchen oder pikanten Histörchen. Wenn Greta Gerwig überhaupt an die Öffentlichkeit geht, dann mit ihrer Arbeit. Und da hat sie in den vergangenen knapp zehn Jahrenwirklich Beachtliches geleistet.

Der Stil ihres Schauspiels ist vielleicht am ehesten mit demWort „nebenbei“ zu beschreiben. Nicht die großen Gesten zählen, kein übermäßiges Mienenspiel. Effekthascherei hat null Chance. Damitwurde Gerwig
auf der Leinwand zu einer der prominentesten Vertreterinnen jener jungen Frauen in den bürgerlichen Gesellschaften der sogenannten westlichen Welt, die nicht auf die Barrikaden gehen, um endlich die  Gleichberechtigung der Geschlechter zu erkämpfen. Sondern die mit unangestrengtem Selbstbewusstsein ihren Weg gehen.Wie Greta Gerwig selbst. Sie wurde 1983 in Sacramento als jüngstes von  drei Geschwistern geboren. Die Eltern hatten nichts mit dem Showgeschäft zu tun. Ihre Mutter arbeitete als Krankenschwester, der Vater als Programmierer. Doch Greta wurde schon als Kind magisch vom Kino angezogen. Als Teenager antwortete sie 2001 in einem Schuljahrbuch auf die Frage, wo sie sich zehn Jahre später sähe: „Dannwerde ich in NewYork leben und einenWoody-Allen-Filmmachen.“

Sie hat’s geschafft, auch und ganz besonders als Drehbuchautorin und Regisseurin. Vor dem in diesem Jahr herausgekommenen Mega-Hit „Barbie“, einem millionenteuren Blockbuster, hat sie mit eher feinen,kleinen Filmen gefesselt. Der erste, dessen Drehbuch sie allein geschrieben und inszeniert hat, kam 2017 heraus:  „Lady Bird“. Die Story um eine jung Frau aus Sacramento griff Momente aus Greta Gerwigs Leben auf, etwa den Wunsch ihrer Mutter, vor dem Sprung ins Haifischbecken der Filmwelt bitte erst einmal auf eine grundsolide Ausbildung zu setzen. Greta Gerwig studierte darum nach dem Schulabschluss Philosophie und Englisch. Auch Anderes imLeben der von Hauptfigur des sensiblen Coming-of-Age-Dramas wurde von eigenen Erfahrungen der Autorin-Regisseurin inspiriert. Doch sie legt großen Wert darauf, dass der mit vielen Preisen und fünf Oscar-Nominierungen bedachte Film nicht autobiografisch gedeutet wird.

Zur Biografie von Greta Gerwig gehört ihre Liebe zu dem Roman „Little Women“. Ihn wählte sie, obwohl es seit der Stummfilmzeit mehrere Verfilmungen gibt, als Vorlage für ihre zweite Regie-Arbeit. Wieder schrieb
sie das Drehbuch selbst. Auch dieser Spielfilm wurde mehrfach ausgezeichnet und bekam sechs Oscar-Nominierungen. Greta Gerwig wurde insbesondere für ihre sanfte Modernisierung der in den 1860er-Jahren von der amerikanischen Autorin Louisa May Alcott verfassten Mär um vier Schwestern und deren Lebenswege gefeiert. Vor allemdie leicht feministische Note, die Gerwig dem Blick aufsGestern gab, gefiel. EineNote, die lautWerbung undmancher Rezension auch „Barbie“ prägen soll. Doch ist dieser Film, der imFinale das Mutterwerden als höchste Vollendung des Frau-Seins empfiehlt, tatsächlich feministisch? Greta Gerwig hat den Schluss vielleicht ironisch gemeint. Oder ganz anders? Die Deutung überlässt sie dem Publikum. Dessen Reaktionen sind das A und O für sie. Sie soll sich am Startwochenende von „Barbie“ in den USA in zig
Kinos geschlichen haben, um die Stimmung direkt mitzubekommen.

Ansonsten hält sie sichmit öffentlichen Auftritten und Äußerungen,wie gewohnt, zurück. So hat sie beispielsweise bisher auch kein Wort zu den Gerüchten um angeblich anstehende Projekte gesagt. Etwa jene, sie werde möglicherweise den nächsten James-Bond-Film oder ein Comic-Action-Abenteuer inszenieren.

31.10.2023

Cinema Quadrat ausgezeichnet

Das Mannheimer kommunale Kino erhält Kinopreis des Kinematheksverbunds

 

Cinema Quadrat ist Preisträger beim Kinopreis des Kinematheksverbunds. Der Preis wird deutschlandweit unter kommunalen Kinos und nicht-gewerblichen Filmintitiativen ausgelobt. Cinema Quadrat erhält in der Kategorie "Kino, das verbindet" den zweiten Preis. Die fünfköpfige Fachjury begründet die Auszeichnung mit der Vielfalt des Kinoprogramms: "Von der Anarchistischen Gruppe Mannheim über das LGBT+Friends-Netzwerk von BASF bis zum Bürgerverein Innenstadt West e. V. arbeitet das Kino in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen und setzt bewusst politische Schwerpunkte."
Seit 2016 wurde Cinema Quadrat in jedem Jahr - außer dem Coronajahr 2020 - für die herausragende Programmarbeit ausgezeichnet. "Dass wir erneut den Kinopreis des Kinematheksverbundes erhalten, ist eine große Freude und zugleich Bestätigung für unser filmkulturelles Engagement", erklärt Sabine Fischer, Geschäftsführerin von Cinema Quadrat. "Mein Dank gilt all unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Personen und Institutionen, mit denen wir kooperieren, sowie der Stadt Mannheim und dem Land Baden-Württemberg für die Unterstützung unserer Arbeit für die Filmkunst

25.10.2023

Filmbuch: Claire Denis – Körper, Intimität und Fremdheit

Auf www.film-netz.com bespricht Walter Gasperi das Filmbuch über Claire Denis, das aus dem 19. Mannheimer Filmseminar entstanden ist.

 

 

2019 beschäftigte sich das 19. Mannheimer Filmseminar unter dem Motto "Im Dialog: Psychoanalyse und Filmtheorie" mit dem Werk der Filmemacherin Claire Denis beschäftigt hat. Der Tagungsband, der zu diesem Filmseminar im Psychosozial-Verlag Gießen erschienen ist, wird von Walter Gasperi in film-netz.com besprochen:
"Die auf hohem Niveau stehenden, sehr fundierten Beiträge sind immer nah an den Filmen, bieten mit ihren präzisen und differenzierten Analysen einen tiefschürfenden Einblick in das Schaffen von Claire Denis, arbeiten aber auch immer wieder heute virulente Fragen und Themen ein: Im deutschsprachigen Raum derzeit wohl das Basiswerk zur 77-jährigen Französin."
www.film-netz.com/post/filmbuch-claire-denis-k%C3%B6rper-intimit%C3%A4t-und-fremdheitIm 18. Band der im Psychosozial-Verlag erscheinenden Reihe "Im Dialog: Psychoanalyse und Filmtheorie" wird in dreizehn Essays das Werk der französischen Regisseurin Claire Denis differenziert analysiert.

Auf einen einleitenden Artikel, in dem Mitherausgeber Gerhard Schneider die psychoanalytische Position in den Filmen von Claire Denis untersucht, folgt ein Beitrag von Marcus Stiglegger, der Merkmale herausarbeitet, die sich durch das Werk der 1946 geborenen Französin ziehen.

Als zentral sieht der Filmwissenschaftler dabei neben dem distanzierten, nicht wertenden Blick das Gefühl der Fremdheit, der Unbehaustheit und Nichtzugehörigkeit an. Dazu kommt die Erkundung der Körper, bei der die Filme ebenso wie bei den wiederkehrenden Essensszenen durch Bild- und Tonsprache eine verstörende Haptik entwickeln.

Auf diesen Überblick folgen die Analysen von zehn Filmen von Denis. Sabine Wollnik reflektiert in ihrem Essay zum Spielfilmdebüt "Chocolat" (1988) auch die Veränderung ihres mehrfach überarbeiteten Textes unter dem Einfluss der Corona-Pandemie und der Black Lives Matter-Bewegung. Ausgehend vom Titel "Chocolat" blickt die Autorin auf den kolonialen Kontext, arbeitet den visuellen Stil ebenso heraus wie die Grenzübertretungen der Kolonialherren und -frauen, die in einer Täter-Opfer-Umkehr vielfach zu Schamgefühlen bei den Afrikaner:innen führen. Wollnik zeigt aber auch auf, wie der Film auch beim Publikum eine Konfrontation mit der eigenen Geschichte und Gefühle wie Schuld und Scham hervorrufen kann.

Andreas Hamburger untersucht in seinem Beitrag zum Fremdenlegionsfilm "Beau Travail" (1999) Denis´ Umgang mit Herman Melvilles Langerzählung "Billy Budd" und arbeitet die für Denis typische elliptische Erzählweise heraus. Detailliert beschreibt der Mitherausgeber den Inhalt des Films, um dann den Ursachen für den Widerspruch zwischen der Schönheit der Bilder und dem Widerwillen gegenüber einer zweiten Sichtung nachzuspüren. Dabei werden auch die Parallelen zu Jean-Luc Godards "Le petit soldat" herausgearbeitet, um in einer abschließenden psychoanalytischen Interpretation zu zeigen, dass der Film nicht auf Handlung abzielt, sondern durch einen assoziativen Bilderfluss in Trance versetzen will.

Andreas Jacke wiederum fokussiert bei seinem Essay zum Erotikthriller "Trouble Every Day" (2001) zunächst auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Jacques Rivettes "Out One: Spectre", bei dem Denis Regieassistentin war. Als Gegenpol zu Rivettes "Noli me tangere!" sieht Jacke dabei das Körperkino von Denis, in dem die Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Berührung zentral ist und der Geist-Körper-Gegensatz aufgehoben wird. Gleichzeitig ist der zärtliche Kontakt beim Kuss wiederum bedroht, schlägt die Nähe doch beim Sex in extreme Gewalt um. Im Kannibalismus des Films entdeckt der Autor dabei auch Parallelen zur Passion Christi und zum christlichen Abendmahl.

Wie Jacke in seinem Beitrag zu "Trouble Every Day" so arbeitet auch Lutz Goetzmann in seinem Essay zu "L´intrus" (2004) den Einfluss des Philosophen Jean-Luc Nancy heraus. Auch hier weist der Autor auf die zentrale Rolle des Berührens und Abtastens des Körpers hin und stellt Querverbindungen von Migration und Herztransplantation als Akte der Grenzüberschreitung und Transgression, die immer mit Gewalt verbunden sind, her.

In "35 Rum" (2008) sieht Timo Storck dagegen einen Film über ein Spätstadium des Ödipuskonflikts. In plastischer Beschreibung von Filmszenen deckt Storck auf, wie im Zentrum dieser Vater-Tochter-Geschichte im doppelten Sinne "Weichen" stehen, wenn mit dem Zurückweichen des Vaters und seiner Lösung von der Tochter die Weichen für die Zukunft der Tochter gestellt werden.

Das für Denis´ Werk zentrale Thema des Kolonialismus bestimmt "White Material" (2009). Andreas Jacke zeigt hier auf, wie der männlich konnotierten Gewalt der rebellierenden Afrikaner:innen ebenso wie der der kolonialen Machthaber mit der von Isabelle Huppert gespielten weißen Plantagenbesitzerin, die sich für ihre Plantage und die indigenen Arbeiter:innen einsetzt, eine feministische, politisch, aber problematische Position gegenübergestellt wird.

Während Thimo Storck anschaulich die Desorientierung vermittelt, die "Les Salauds" (2013) mit seiner fragmentierten und zerrissenen Erzählweise, seinen Wiederholungen und verschwimmenden Figuren auslöst, bieten Marie-Luise Waldhausen und Christoph E. Walker Einblick in ihre eigene Rezeptionserfahrung von "Meine schöne innere Sonne – Isabelle und ihre Liebhaber" (2017). Durchaus kritisch blicken die AutorInnen dabei auf die von Juliette Binoche gespielte Hauptfigur, die im ersten Moment zwar Selbstbewusstsein ausstrahlt, rasch aber ihre Unsicherheit dahinter sichtbar macht, und wie gefangen in einer Wiederholungsschleife aufgrund ihrer wenig selbstreflektierten Haltung immer wieder neue Enttäuschungen erlebt.

Lioba Schlösser fokussiert beim Science-Fiction-Film "High Life" (2018) auf dem Motiv des Recyclings, das den Film auf allen Ebenen bestimmt, sich durch den ganzen Film zieht und so das Zyklusmotiv, das im Mittelpunkt des Plots steht, unterstützt. Das Chaos der Gefühle einer Frau, die zwischen einem Mann, der Sicherheit bietet, und der leidenschaftlichen Erotik eines anderen zerrissen ist, arbeitet dagegen Andreas Jacke in seinem Essay zu "Avec amour et acharnement" ("Mit Liebe und Entschlossenheit", 2022) heraus und entdeckt Parallelen zu Thomas Hardys "Tess" und Goethes "Wahlverwandtschaften".

Abschließend lädt Dietrich Stern zu einem Hör-Spaziergang durch die Musik in einigen Filmen von Denis ein. Der Autor entdeckt dabei eine Entwicklung von der Bewegtheit des Jazz in Denis´ Debüt "Chocolat" zur Statik der Musik von Tindersticks in den späteren Filmen. Im Kontrast zu dieser Statik stehen aber Momente der Hoffnung und des Aufbruchs für die Soul- und Jazz-Stücke sorgen, die Entwicklungen in der Handlung einleiten.

Die auf hohem Niveau stehenden, sehr fundierten Beiträge sind immer nah an den Filmen, bieten mit ihren präzisen und differenzierten Analysen einen tiefschürfenden Einblick in das Schaffen von Claire Denis, arbeiten aber auch immer wieder heute virulente Fragen und Themen ein: Im deutschsprachigen Raum derzeit wohl das Basiswerk zur 77-jährigen Französin.

Andreas Hamburger, Gerhard Schneider, Peter Bär, Timo Storck, Karin Nitzschmann (Hg.), Claire Denis. Körper, Intimität und Fremdheit. Im Dialog: Psychoanalyse und Filmtheorie, Band 18. Psychosozial-Verlag, Gießen 2022. 154 S., ISBN 978-3-8379-3172-3, € 34,90

25.10.2023

„Ein authentisches und vielfältiges Bild“

Am 26.07.2023 berichtete die Rheinpfalz über die Aufführun von Isabel Gathofs Dokumentarfilm„TKUMAnnheim– Jüdisches Leben2 von 1945 bis heute“ imkommunalen Kino Cinema Quadrat

 

VON STEFAN OTTO
Ein neuer Film aus und über Mannheim hat seine Uraufführung im kommunalen Cinema Quadrat erlebt. „TKUMAnnheim“, sein Titel, sorgt für Erklärungsbedarf, der Untertitel für Aufhellung: „Jüdisches Leben2 von 1945 bis heute“.

„Tkuma“,mussman wissen undman erfährt es im Film auch gleich zu Beginn, ist hebräisch und steht für Auferstehung, Wiedergeburt oder Neubeginn. „Jüdisches Leben2“, auch darauf sollte man hinweisen, liest sich  icht „Jüdisches Leben hoch zwei“,sondern „Jüdisches Leben im Quadrat“ und verweist damit auf die QuadratestadtMannheim.

In den Quadraten, genauer an der Synagoge in F3, startet „TKUMAnnheim“ denn auch. Hier begegnen wir den Vorsitzenden des Stadtjugendrings, Elina Brustinova und Suhail Butt, die uns auf einer Tour zu den Zentren jüdischen Lebens begleiten. Es ist zugleich eine Reise durch die Zeit, denn die interessanteDoku führt sogar nochweiter zurück als „nur“ bis ins Jahr 1945. Man könne einen Film Uraufführung von Isabel Gathofs  okumentarfilm„TKUMAnnheim– Jüdisches Leben2 von 1945 bis heute“ imkommunalen Kino Cinema Quadrat zu diesemThema nicht ohneweiteres erst nach demEnde der Shoah beginnen lassen, findet seine Regisseurin Isabel Gathof zu Recht.

Brustinova unternehmen, bringt uns zurück bis ins 18. Jahrhundert zu den ältesten Grabmälern der Stadt auf dem Jüdischen Friedhof. Er führt weiter zum ehemaligen jüdischen Waisenhaus in R7, das nach dem ZweitenWeltkrieg als Behelfssynagoge diente, bis in der Oststadt ein neues Gemeindezentrum bezogen werden konnte und schließlich 1985 die neue Synagoge in den Quadraten errichtet wurde. Im Rosengarten erlebenwir die „Jewrovision“ nach, den in Anlehnung an den populären Eurovision Song Contest jährlichen Musikund Tanzwettbewerb jüdischer Jugendzentren,den 2015 und 2016 in Folge das Mannheimer Or Chadash mit der Jüdischen Jugend Baden (Ju- JuBa) gewinnen konnte.

„Der Aufstieg Mannheims zur Industriestadt ist seiner jüdischen Bevölkerung zu verdanken“, erinnert der Historiker Volker Keller. Daneben lebt „TKUMAnnheim“ besonders von den zahlreichen persönlichen Schilderungen jüdischen Lebens in den vergangenen acht Jahrzehnten, die eine ganze Reihe von Zeitzeugen aller Altersstufen beisteuert.

Mir war es wichtig, der jungen Zielgruppe ein authentisches und zugleich vielfältiges Bild der jüdischen Gemeinde im Spiegel der Zeit zu vermitteln – so, wie ich es im Lauf des vergangenen Jahres selbst kennengelernt habe“, erklärt Isabel Gathof, die selbst inHanau zuHause ist.Mit ihrer Produktionsfirma Feinshmeker Film hat sie zuletzt Dokumentationen über die ausdauernde Strafverfolgung vonNS-Verbrechern („Fritz Bauers Erbe – Gerechtigkeit verjährt nicht“), den Alten Jüdischen Friedhof inMünchen („Für die Ewigkeit“) oder den „ersten jüdischen Maler“ Moritz DanielOppenheim(1800-1882) realisiert. „TKUMAnnheim“ ist eine Auftragsarbeit, die sie für die Stadt Mannheim und für „einander.MAnifest“, das Mannheimer Bündnis für ein Zusammenleben in Vielfalt, gestaltet hat. „Es gingmir immer darum, imRahmen von Antisemitismus-Präventionsarbeit einen Film zu schaffen, der beim Schauen Spaß macht und dabei dennoch eine Menge Wissen vermittelt und Bewusstsein für mehr Toleranz innerhalb der bunten Stadtgesellschaft schafft“, sagt sie.

Ursprünglich war eine Länge von 45 Minuten vorgesehen, da der Film in erster Linie im Schulunterricht zum Einsatz kommen soll, gesteht Gathof. Doch schon nach den ersten Interviews in Mannheim sei ihr klar geworden, dass der Filmdemin einer Dreiviertelstunde niemals gerecht werden könnte: „ „Das ist so derHammer, was hier für Preziosen zum Vorschein kommen.“ Nun umfasst „TKUMAnnheim“ fast 80Minuten, und  immer noch verfügt die Autorin, Regisseurin und Editorin über reichlich  Material, das demnächst auch die gerade gelaunchte Webseite tkumannheim. de bereichern soll.

Der Filmist der erste Baustein eines mehrstufigen medienpädagogischen „Dialogprojekts“, der vor allem auf dem genannten Online-Portal Ergänzung finden soll.Neben Ausschnitten, die es nicht in den Film geschafft haben, sowie interaktiven Zusatzangeboten soll hier didaktisches Begleitmaterial bereitgestellt werden, das Lehrern wie Schülern im Unterricht eine Ergänzung und Hilfe sein kann.

25.10.2023

„Film ist Teamarbeit“

Am 24.10.2023 berichtete die Rheinpfalz über das 37. Mannheimer Filmsymposium

 

„Production Design, Kostüm und Maske im Film“ war das 37. Mannheimer Filmsymposium im Cinema Quadrat überschrieben. ImKino gelang, woran es vielen Filmproduktionen offensichtlich mangelt: ein Dialog auf Augenhöhe.

Bereits seit 1986 Jahr für Jahr laden dieMannheimer Symposien Referenten und Besucher dazu ein, sich eingehend mit den verschiedensten Gesichtspunkten der Filmproduktion, der Filmgeschichte und des Kinos zu befassen. „Ein Jahr hat gerade gereicht, um das auf die Beine zu stellen“,erklärte Peter Bär vom Vorstand des Kommunalen Kinos bei der Eröffnung. Ein Wochenende lang diente das Cinema Quadrat fortan nicht nur
dem Austausch über „Production Design, Kostüm und Maske“, sondern, ganz im Sinne eines jeden Symposiums, vor allemder Begegnung.

„Film ist Teamarbeit“, bekräftigteda etwa der Berliner Maskenbildner Jens Bartram(„Unorthodox“) eine alte Weisheit, die jedoch offenbar nur allzu selten beherzigt wird. Zuvor hatte dieMünchner Kostümbildnerin MonikaHinz („Weissensee“) sich darüber beklagt,wiewenig professionell und unergiebig die Abläufe zahlreicher Film- und Fernsehproduktionen sich oftmals gestalteten.

AmBeginn einer jeden Zusammenarbeit sollte doch möglichst eine kollektive  Besprechung stehen, findet Hinz. „Dass alle an einemTisch sitzen und gemeinsam überlegen, wer arbeitet hiermit,was steht auf demZettel, undwie gehenwir es an?“ Ein kollektiver Start und koordinierter Ablauf, wie er etwa am Theater idealerweise praktiziert wird. In der Filmbranche wohl nur gelegentlich, und das nicht alleine,weil es vermeintlich billiger kommt, wenn man verschiedene Berufsgruppen erst relativ spät bis kurz vor knapp ans Set holt.

Die Abläufe jedenfalls, wie Hinz sie sichwünscht undwie sie auch für viele andere Unternehmungen angeraten scheinen, würden so gut wie nie umgesetzt. „Das passiert leider irgendwie nicht. Ich habe es in dieser
Formnoch nie erlebt“, betonte die gelernte Modedesignerin, die seit bald 40 Jahren in der Filmbranche arbeitet und 2009 mit dem Deutschen Fernsehpreis für den ZDF-Dreiteiler „Die Wölfe“ geehrtwurde. Noch einmal später als „das Kostüm“ würde „dieMaske“ hinzugeholt, ergänzte Bartram vom Vorstand der Bundesvereinigung Maskenbild. Die beteiligten Kostümbildner bekämen oftmals bereits die Maße von den Schauspielern, wenn er noch nicht einmal ein Foto von ihnen gesehen habe, sie aber passend zu schminken, wenn nicht gar ihr Aussehen aufwendig zu verwandeln habe. „Wenn ich noch gar kein Gesicht gesehen habe, kann ich mir auch nicht vorstellen, was ich mit dem mache.“ Dabei gebe es ebenso in seinem Betätigungsfeld viel vorzubereiten, etwa Prothesen zu fertigen oder Perücken zu knüpfen. Gemeinsam mit Monika Hinz hat Bartram etwa am ZDF-Dokudrama „Der Mann aus der Pfalz“ gearbeitet,wobei es seine Aufgabe war, gleich zwei Hauptdarsteller in Helmut Kohl zu verwandeln, und die der Kostümbildnerin, sie einzukleiden.

Freilich helfen die Routine, die Erfahrung sowie die Kontakte, die man im Laufe seines Berufslebens geknüpft habe, führte Hinz aus. So habe sie es sich mittlerweile angewöhnt, bei einem neuen Engagement   zunächst zum Telefon zu greifen, um den Production Designer anzurufen: „Ichmuss ja wissen, wie der Look des Films ist.“Wie die Kostüme aussehen, die sie auswähle oder fertige, hänge ja nicht zuletzt vom Szenenbild ab, also von den Kulissen, in denen die Filmfiguren sich bewegen, wie von der Gestalt der Schauspieler selbst, die die Kostüme amEnde tragen.

Der Zeitpunkt, an dem Szenen- und Kostümbildner am Set für gewöhnlich aufeinandertreffen, ist denkbar ungünstig. Hinz brachte so die Szenenbildnerin Silke Buhr („Das Leben der Anderen“) ins Spiel, die ebenfalls
über ihre Arbeit referierte. „Wenn ich dann ankomme und sie frage, hast du Motivfotos und wie sieht dein Konzept aus, ist sie in der Phase, wo man beimFormel-Eins-Rennen sozusagen aufsGas drückenmuss.Wir sind nicht zeitgleich am Start. Ich finde, das ist ein ganz schlechtes Arbeitskonzept.“

Es würden bessere Ergebnisse erzielt,  wenn ein Teamauch sozial funktioniere, bestätigte die Berlinerin Buhr, die bereits viermal den Deutschen Filmpreis gewann. Die jeweils verantwortliche Produktion müsse
allen Mitarbeitern gerecht werden und sie tatsächlich schon möglichst früh alle zusammenbringen. „Das ist das Minimum, damit Kreative gut arbeiten können.“

Die Szenografie selbst komme tatsächlich früh ins Spiel einer jeden Filmproduktion. „Wir geben auch ziemlich viel Geld aus, und deswegen wollen die auch ziemlich frühwissen, was da eigentlich passiert“, sagte die Filmarchitektin inMannheim.Andere Berufe stießen erst viel später zum Team. „Bis dahin vergeht ziemlich viel Zeit und auch viel Energie. Wir haben uns schon ganz schön abgenutzt bis dahin.“

Angesichts dieser nicht zufriedenstellenden Verhältnisse „umso toller“ fand Monika Hinz, „dass ihr hier in Mannheimeswirklich geschafft habt, dass hier Leute zusammenkommen und miteinander reden“. Es komme
im Dialog letztlich nicht nur darauf an, Gedanken auszutauschen, sondern „miteinander etwas zu erspüren, die Energie und die Leidenschaft“ der anderen aufzunehmen. Das funktioniere im Symposium im Cinema
Quadrat erstaunlich gut. „Kino ist ein ganz großes Erlebnis“, fügte Hinz vor der Leinwand hinzu. „ImKino zu sein und wie jetztmit Ihnen sogar noch in Dialog zu treten“, erklärte sie den Besuchern gegenüber, „das ist einfach das Allerbeste.“

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