Psychoanalytiker aus der Region beleuchten einzelne Filme renommierter Regisseure und reflektieren dabei Themen, Motive und Strukturen unter der Oberfläche der filmischen Erzählung. Die Referenten stellen ihre Sichtweisen zur Diskussion und treten mit dem Publikum in einen Dialog. Unser Dank geht an Dr. Gerhard Schneider für die Konzeption und die Filmauswahl in Kooperation mit den Referent*innen.

Parallele Mütter

Parallele Mütter

(Madres paralelas)
ESP 2021. R: Pedro Almodóvar. D: Penélope Cruz, Milena Smit, Israel Elejalde, Aitana Sánchez-Gijon, Rossy de Palma. 123 Min. DF. FSK: 6

Zwei Frauen, zwei Schwangerschaften, zwei Leben. Janis und Ana erwarten beide ihr erstes Kind und lernen sich zufällig im Krankenhaus kurz vor der Geburt kennen. Beide sind Single und wurden ungewollt schwanger. Janis, mittleren Alters, bereut nichts, Ana ist ein Teenager, verängstigt, reumütig, traumatisiert. Monate später findet Janis heraus, dass ihre Tochter nicht von ihr ist. Und Ana ist in ihre Nachbarschaft gezogen…

In größter stilistischer und erzählerischer Meisterschaft verbindet Almodóvar sein emotional-spannendes Drama um parallele Elternschaft mit der Suche nach einem Massengrab aus dem spanischen Bürgerkrieg, für die sich Janis engagiert: Sein Film spreche „über Vorfahren und Nachkommen, über die Wahrheit der historischen Vergangenheit und die intimste Wahrheit der Figuren“, so Amodóvar. Penélope Cruz wurde in Venedig als beste Darstellerin ausgezeichnet.

Referentin: Renate Kramer (Heidelberg)

So. 17.09.2023, 19:30 Uhr

Crimes of the Future

Crimes of the Future

CAN/FRA/GRC/GBR 2022. R: David Cronenberg. D: Viggo Mortensen, Léa Seydoux, Kristen Stewart, Scott Speedman. 108 Min. DF. FSK: 16

In der nahen Zukunft, in der nur noch wenige Menschen Schmerzen empfinden, haben einige von ihnen die Fähigkeit entwickelt, Organe mit bislang unbekannten Fähigkeiten in ihren Körpern wachsen zu lassen. Performance-Star Saul Tenser nutzt seine Mutationen für die Kunst: In umjubelten Avantgarde-Shows lässt er sich die neu erwachsenen Körperteile von seiner Partnerin Caprice vor Live-Publikum herausoperieren. Doch für seine spektakulären Darbietungen interessieren sich sowohl die staatlichen Organ-Registrierungsbehörde als auch eine mysteriöse Untergrundorganisation…

David Cronenbergs dystopischer Body-Horror-Drama ist ein faszinierendes Werk um Evolution, Innovation, Moral und Kunst – so verstörend wie sinnlich.

Referent: Stefan Hinz (Wilhelmsfeld)

So. 15.10.2023, 19:30 Uhr

Holy Spider

Holy Spider

DNK/DEU/FRA/SWE 2022. R: Ali Abbasi. D: Zar Amir Ebrahimi, Mehdi Bajestani, Arash Ashtiani. 119 Min. DF. FSK: 16

In der Heiligen Stadt Maschhad im Nordosten des Iran geht der „Spinnenmörder“ um: Eine Reihe von unaufgeklärten Morden an Prostituierten hält die Bevölkerung in Atem. Der Killer glaubt von sich, in heiliger Mission Gottes Werk zu verrichten. Die Journalistin Rahimi trifft in der Stadt ein, um über den Fall zu berichten – und bekommt in der männerdominierten Welt ein Hindernis nach dem anderen in den Weg gelegt. Die Polizei hat es mit der Aufklärung der Fälle nicht eilig, die Religionsführer können sich mit den Motiven des Täters durchaus identifizieren. Rahimi beschließt, sich selbst als Lockvogel einzusetzen.

Gedreht mit iranischstämmiger Cast und Crew bietet der packende, ungewöhnliche Thriller nach einem wahren Fall aus dem Jahr 2001 mehr als Spannung und Nervenkitzel: Mit dem Blick auf die Perspektiven von Täter, Opfern und auf die Ermittlungen zeichnet der Film das genaue Porträt einer patriarchalisch-oppressiv-gewalttätigen Gesellschaft.

Referentin: Soheila Kiani-Dorff (Frankfurt)

So. 12.11.2023, 19:30 Uhr

Nomadland

Nomadland

USA 2020. R: Chloé Zhao. D: Frances McDormand, David Strathairn, Linda May, Charlene Swankie. 108 Min. DF. FSK: 0

Sie hat ihren Mann verloren, der Gipssteinbruch schließt, ihre gesamte Bergbaustadt wird abgewickelt: Die 60jähre Fern packt ihre Habseligkeiten in einen Van und zieht los, zusammen mit anderen Nomaden, die sich durch die Vereinigten Staaten treiben lassen, von Job zu Job, von Parkplatz zu Parkplatz. Nicht obdachlos, sondern hauslos, außerhalb, aber nicht unterhalb der konventionellen US-Gesellschaft.

Chloé Zhao hat zusammen mit Frances McDormand, die den Film auch produziert hat, das kraftvolle Porträt eines sozialen Milieus in selbstgewählter Mobilität gedreht: Basierend auf einem Sachbuch mischt ihr Film fiktionale und dokumentarische Elemente, um von einer Community zu erzählen, die versucht, auch nach wirtschaftlichem Niedergang ihr Leben selbst zu bestimmen. Der Film wurde mit dem Goldenen Löwen von Venedig und mit drei Oscars als bester Film, für beste Regie und die beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet.

Referentin: Christel Hack (Mainz)

So, 03.12.2023, 19:30 Uhr

21. Mannheimer Filmseminar "Im Dialog: Psychoanalyse und Filmtheorie"

Vorblick Filmseminar:

Thema: Liliana Cavani

Fr. 12.01. bis So. 14.01.2024

Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben

Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben

(Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb)
GBR/USA 1964 R: Stanley Kubrick. D: Peter Sellers, George C. Scott, Sterling Hayden, Slim Pickens. 93 Min. DF. FSK: 12

Stanley Kubrick inszenierte mitten im Kalten Krieg diese apokalyptische Komödie, in der der Kommandant eines US-Atomwaffenstützpunktes durchdreht: Gegen die kommunistische Weltverschwörung schickt er eine Bomberstaffel Richtung UdSSR. Im Pentagon sind Generäle wie Präsident so entsetzt wie hilflos – zumal die Russen mitteilen, bei einem Atomangriff automatisch die Weltvernichtungsmaschine in Gang zu setzen. Zugleich träumt Dr. Seltsam, ein deutschstämmiger US-Berater mit ausgeprägtem Drang zum Hitlergruß, von einer Superrasse der Überlebenden.

Peter Sellers glänzt in einer Dreifachrolle in dieser bitterbösen Politfarce, in der Paranoia, Sexualneurose, Größenwahn, Angst und Diplomatie sich gegenseitig die Beine stellen.

Referent: Peter Gabriel (Dossenheim)

So. 28.01.2024, 19:30 Uhr

lassen

In Liebe lassen

(De son vivant)
FRA 2021. R: Emmanuelle Bercot. D: Benoît Magimel, Catherine Deneuve, Cécile de France, Gabriel Sara. 124 Min. DF. FSK: 12

Schauspiellehrer Benjamin hilft seinen Schülern, zu ihren innersten Gefühlen und Ängsten vorzudringen und sie kreativ einzusetzen. Dem 40-Jährigen selbst gelingt dies nicht, als er erfährt, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist. Er verweigert sich und nimmt die unbeholfenen Hilfsangebote seiner übertrieben fürsorglichen Mutter nur widerwillig an. Erst durch ihren Kontakt zu dem renommierten Onkologen Dr. Eddé und seiner Assistentin Eugénie schafft es Benjamin, sich seiner Krankheit zu stellen. Es bleiben ihm vier Jahreszeiten, um seinen Frieden mit dem Tod zu schließen.

Emmanuelle Bercot konzipierte den Film speziell für ihre Schauspielstars Benoît Magimel und Catherine Deneuve – und lässt den Arzt von einem Laiendarsteller spielen: der tatsächliche Onkologen Dr. Gabriel Sara verwurzelt das Filmdrama in der Realität.

Referentinnen: Brigitte Pahlke (Bensheim) und Christine Linkert (Frankfurt)

So. 18.02.2023, 19:30 Uhr

Die Dinge des Lebens

Die Dinge des Lebens

(Les choses de la vie)
FRA/ITA/CHE 1970 R: Claude Sautet. D: Michel Piccoli, Romy Schneider, Gérard Lartigau, Jean Bouise. 85 Min. FrzOmdtU. FSK: 12

Ein Autounfall – und was davor geschah: Pierre Bérard hat seine Familie für die junge Hélène verlassen, kann sich aber auf die Geliebte nicht voll einlassen. Er will sich trennen, und er will bei ihr bleiben, er will seine Frau vergessen und weiterhin für seine alte Familie da sein. Glück und Zweifel, Misstrauen und Liebe, Verwirrung, Verletzlichkeit und Hoffnung: Claude Sautets Liebesdrama DIE DINGE DES LEBENS erforscht psychologisch treffend die Kleinigkeiten und die Widersprüchlichkeiten, die ein Leben ausmachen, die die Protagonisten empfinden und nach denen sie handeln – und findet dafür in Romy Schneider und Michel Piccoli eine herausragende Besetzung.

Referent*innen: Regine Schmidt und Alexandre Métraux (Dossenheim)

So. 10.03.2024, 19:30 Uhr